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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf!
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dafür werde ich mein Leben lang dankbar sein.«
    »Ich schlage vor, Sie erzählen uns jetzt, was Sie dem Staatsanwalt gesagt haben«, sagte Tom Wadell, dessen Blick verriet, daß er die Situation erfaßt hatte.
    »Als meine Tochter Christine plötzlich Alpträume bekam«, begann Paula, den Blick auf Michaels Anwalt gerichtet, »dachte ich zuerst, das wäre ein Phase, die alle Kinder irgendwann einmal durchmachen. Ich habe die Träume nicht weiter beachtet, auch nicht, nachdem meine Mutter mir gesagt hatte, daß da ihrer Meinung nach mehr dahintersteckte. Als Christine mir sagte, sie wolle nicht zur Untersuchung, weil der Doktor sie >immer so komisch
anfaßte<, dachte ich mir nichts dabei. Und als sie nicht lokkerließ, erklärte ich ihr, Dr. Whittaker fasse sie nur da an, wo er sie anfassen müsse, um sie wieder gesund zu machen. Ich hörte ihr einfach nicht zu. Einmal habe ich sie sogar dafür verhauen, daß sie sich so schlimme Geschichten ausdachte.«
    »Tom, das ist absolut lächerlich!« fuhr Michael dazwischen. »Muß ich mir diesen Quatsch wirklich anhören?«
    »Ich denke, es wäre gut, wenn Sie sich setzen«, riet ihm der Anwalt.
    Michael sank in seinen Sessel wie eine Gummipuppe mit einem Loch in der Seite. Jane hörte förmlich, wie die Luft entwich.
    »Als ich Janes Geschichte hörte«, fuhr Paula fort, »als ich hörte, was Dr. Whittaker mit seiner eigenen kleinen Tochter getan hat, wurde mir mit einem Schlag klar, daß alles, was Christine mir erzählt hatte, wahr war. Ich war so entsetzt, daß ich mich überhaupt nicht mehr rühren konnte. Es war so, als hätte mir jemand das Herz aus dem Leib gerissen.« Paula schüttelte noch immer fassungslos den Kopf. »Ich habe diesem Mann mehr als meinem Kind geglaubt. Ich habe die Hilferufe meiner Tochter überhört, weil ich ihm rückhaltlos vertraute. Immer habe ich alles, was er von mir verlangte, ohne Frage getan. Ich setzte seine Frau unter Drogen und hielt sie von ihrer Familie und ihren Freunden fern. Ich gab ihr Tabletten und Spritzen, manchmal rund um die Uhr, wenn er es angeordnet hatte. Ich sah zu, wie sie litt, und tat nichts, weil ich ihm geglaubt habe, wenn er erklärte, es wäre zu ihrem Besten. Jetzt weiß ich, daß er ein Lügner ist. Ich weiß, daß er seine eigene Tochter und daß er meine Tochter belästigt hat. Ich bin bereit, das unter Eid auszusagen. Ich freue mich darauf, aussagen zu können. Das ist es, was ich dem Staatsanwalt gesagt habe.«
    Mehrere Sekunden lang blieb es völlig still.
    Dann brach Renee Bower das Schweigen. »Ich denke, die Herren werden das alles erst einmal verarbeiten müssen.« Sie stand
auf. »Ich schlage vor, wir lassen Ihnen Zeit zum Nachdenken.« Sie wandte sich an Michaels Anwalt. »Sie werden mich anrufen?«
    Tom Wadell nickte stumm.
    Michael vergrub den Kopf in den Händen, als Renee Bower Jane und Paula aus dem Zimmer geleitete. Schweigend fuhren die drei Frauen im Aufzug zum Foyer hinunter.
    Erst als sie auf der Straße standen, wandte sich Jane zu Paula und sagte: »Wie kann ich Ihnen jemals danken?«
    »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Ich muß Ihnen danken.««
    Jane nahm die junge Frau in die Arme. »Passen Sie gut auf ihr kleines Mädchen auf.«
    »Sie auch«, sagte Paula leise, ehe sie davonging.
    Jane sah ihr nach, bis sie um eine Ecke bog und verschwunden war. »Und wie geht’s jetzt weiter?« fragte sie Renee Bower.
    »Mit der Strafsache haben wir nichts mehr zu tun. Die liegt in den Händen der Staatsanwaltschaft.«
    »Und Emily?«
    »Ich glaube nicht, daß wir da noch auf Schwierigkeiten stoßen werden.« Renee sah auf ihre Uhr. »Es ist zwar noch ein bißchen früh fürs Mittagessen, aber irgendwie hab ich Hunger. Wie ist es mit Ihnen?«
    Jane lächelte. »Im Zweifel erst mal was essen«, sagte sie. Dann warf sie den Kopf zurück und lachte. »Also, gehen wir. Ich bin völlig ausgehungert.««
     
     
     
    ENDE

Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel »See Jane Run« bei William Mirrow and Company, Inc., New York
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    54. Auflage
    Deutsche Erstveröffentlichung
    Copyright © 1991 by Joy Fielding
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 1992 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
     
    CN Herstellung:
     
    eISBN 978-3-641-05409-0
     
    www.goldmann-verlag.de
    www.randomhouse.de
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