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Last Lecture - die Lehren meines Lebens

Last Lecture - die Lehren meines Lebens

Titel: Last Lecture - die Lehren meines Lebens
Autoren: Randy Pausch
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uns bitte eine kurze Zusammenfassung.« Es gibt Formalien im akademischen Leben, die man nicht einfach ignorieren kann, selbst wenn man gerade mit anderen Dingen beschäftigt ist und beispielsweise versucht, nicht zu sterben. Mitte August wurde mir mitgeteilt, dass das Plakat für die Vorlesung gedruckt werden solle und ich mich endlich für ein Thema entscheiden müsse.
    In genau dieser Woche erhielt ich die Nachricht, dass die letzte Behandlung nicht angeschlagen hatte und ich nur noch ein paar Monate leben würde.
    Ich wusste, dass ich die Vorlesung jederzeit absagen konnte. Alle hätten das verstanden. Plötzlich gab es so viel Wichtigeres zu tun. Ich musste mit meinem eigenen Kummer und mit der Trauer all derer klarkommen, die mich liebten. Ich musste mich mit aller Kraft ins Zeug werfen, um die Angelegenheiten meiner Familie in Ordnung bringen. Trotzdem konnte ich den Gedanken an diese Vorlesung nicht abschütteln. Ich war wie besessen von der Idee, eine Last Lecture zu halten, die wirklich eine letzte sein würde. Aber was sollte ich sagen? Wie würde man es aufnehmen? Würde ich es überhaupt durchstehen können?
    »Sie würden es akzeptieren, wenn ich einen Rückzieher mache«, erklärte ich meiner Frau Jai, »aber ich will es wirklich tun.«
    Jai war von jeher mein Cheerleader. Wenn ich mich für etwas begeisterte, tat sie es auch. Doch die Idee von einer letzten Vorlesung kam nicht gut bei ihr an. Gerade erst waren wir von Pittsburgh ins südöstliche Virginia gezogen, damit Jai und die Kinder nach meinem Tod in der
Nähe ihrer Familie sein könnten. Jai fand, dass ich meine kostbare Zeit lieber mit unseren Kindern verbringen sollte oder damit, die Kisten in unserem neuen Haus auszupacken, als Stunden für die Vorbereitung einer Vorlesung zu verschwenden und dann nach Pittsburgh zurückzureisen, um sie zu halten.
    »Nenne mich meinetwegen egoistisch«, sagte Jai, »aber ich will dich ganz. Die Zeit, die du mit der Ausarbeitung des Vortrags verbringst, ist verlorene Zeit, denn sie wird dich ständig von den Kindern und mir fernhalten.«

    Bild 1
    Logan, Chloe, Jai, ich und Dylan

    Ich verstand ihre Vorbehalte. Als ich krank wurde, hatte ich mir geschworen, auf Jai einzugehen und ihre Wünsche zu berücksichtigen. Ich empfand es geradezu als meine Mission, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um ihr Leben von den Bürden zu entlasten, die ihr durch meine Krankheit auferlegt wurden. Deshalb verbrachte ich viele Stunden zwischen Schlafen und Wachen damit, Arrangements für die Zukunft meiner Familie zu treffen, die ohne mich stattfinden wird. Trotzdem kam ich nicht gegen den Drang an, diese letzte Vorlesung zu halten.
    Im Laufe meiner akademischen Karriere hielt ich so manche ziemlich gute Rede. Doch wenn man als der beste Redner eines Computer Science Department gilt, dann ist das, als hielten sie dich für den größten der sieben Zwerge. Diesmal hatte ich jedoch tatsächlich das Gefühl, dass mehr in mir steckt und ich den Menschen etwas Besonderes anbieten könnte, wenn ich alles gäbe. »Weisheit« ist ein großes Wort, aber vielleicht ist es das passende für diesen Moment der Erkenntnis.
    Jai war noch immer unglücklich über meine Entscheidung. Schließlich beschlossen wir, die ganze Sache mit Michele Reiss zu besprechen, einer Psychotherapeutin, zu der wir seit ein paar Monaten gingen, weil sie sich darauf spezialisiert hatte, Paaren beizustehen, die mit der tödlichen Krankheit eines Partners konfrontiert sind.
    »Ich kenne Randy«, sagte Jai zu Dr. Reiss. »Er ist ein Workaholic. Ich weiß, wie er sein wird, wenn er diese Vorlesung vorbereitet. Es wird ihn völlig in Anspruch nehmen.« Sie hielt diese Lecture für eine total unnötige Ablenkung von all den erdrückenden Fragen, mit denen wir uns herumschlagen mussten.
    Jai war noch wegen etwas anderem aufgebracht. Wenn
ich die Vorlesung am angesetzten Termin halten wollte, dann würde ich am Tag vorher nach Pittsburgh fliegen müssen, und das war Jais einundvierzigster Geburtstag. »Es ist mein letzter Geburtstag, den wir gemeinsam feiern können«, sagte sie zu mir. »Du willst mich tatsächlich an diesem Tag alleinlassen?«
    Natürlich war es ein schmerzlicher Gedanke, diesen Geburtstag nicht mit Jai zu verbringen. Trotzdem ließ mich der Gedanke an die Vorlesung nicht los. Ich hatte begonnen, sie als den letzten Akt in meiner Karriere zu betrachten, als eine Möglichkeit, mich von meiner »Arbeitsfamilie« zu verabschieden. Außerdem ertappte
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