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Last Lecture - die Lehren meines Lebens

Last Lecture - die Lehren meines Lebens

Titel: Last Lecture - die Lehren meines Lebens
Autoren: Randy Pausch
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ich mich bei der Vorstellung, dass sie das oratorische Äquivalent jenes letzten Balls sein würde, den der Schläger vor seinem Abschied vom Baseball ins Upper Deck schmettert. Die Schlussszene aus Der Unbeugsame , in der der alternde Spieler Roy Hobbs zur Überraschung aller diesen himmelhohen Homerun schlägt, hat mir schon immer gefallen.
    Dr. Reiss hörte Jai und mir zu. In Jai, sagte sie, sehe sie eine starke, liebende Frau, die Jahrzehnte eines erfüllten Lebens mit einem Ehemann vor sich gesehen hatte, der mit ihr zusammen die Kinder aufzog. Nun musste unser gemeinsames Leben auf wenige Monate verdichtet werden. In mir sah Dr. Reiss einen Mann, der noch nicht bereit war, sich vollständig ins Privatleben zurückzuziehen, und ganz gewiss nicht bereit, sich auf sein Sterbebett zu legen. »Diese Vorlesung wird für viele Menschen, die mir etwas bedeuten, eine letzte Möglichkeit sein, mich noch einmal in Fleisch und Blut zu sehen«, erklärte ich rundheraus. »Und mir gibt sie nicht nur die Möglichkeit, darüber nachzudenken, was mir am meisten bedeutet, sondern auch die Chance, noch einmal alles zu tun, was mir
auf dem Weg aus dem Leben möglich ist, um das Bild zu zementieren, das die Menschen von mir in Erinnerung behalten werden.«
    Mehr als nur einmal hatte Dr. Reiss Jai und mich auf ihrer Bürocouch sitzen sehen, eng aneinandergeschmiegt, beide in Tränen aufgelöst. Sie sagte, sie nehme den großen Respekt wahr, den wir einander entgegenbrächten, und sei oft tief bewegt gewesen von unserer Entschlossenheit, unsere letzte Zeit zusammen wirklich gut hinzukriegen. Doch bei der Frage, ob ich diese letzte Vorlesung halten sollte oder nicht, könne sie sich nicht einschalten, das sei nicht ihre Aufgabe. »Das müsst ihr selbst entscheiden«, sagte sie und drängte uns, einander genau zuzuhören, damit wir einen Beschluss fassen konnten, der für uns beide richtig war.
    Angesichts von Jais Zurückhaltung wusste ich, dass ich meine Motive ganz ehrlich betrachten musste. Warum bedeutete mir diese Vorlesung so viel? Bot sie sich als eine Möglichkeit an, mir und allen anderen zu beweisen, dass ich noch immer höchst lebendig war? Oder zu zeigen, dass ich noch immer genug Kraft hatte, um zu funktionieren? War es das Bedürfnis eines Mannes, der das Rampenlicht liebt, ein letztes Mal auf den Putz zu hauen? Die Antwort auf all diese Fragen war: Ja. »Ein verletzter Löwe will wissen, ob er noch brüllen kann«, sagte ich zu Jai. »Es geht um Würde und Selbstachtung, und das ist nicht ganz das Gleiche wie Eitelkeit.«
    Aber hier spielte noch etwas anderes eine Rolle: Ich begann diese Vorlesung als mein Medium zu betrachten, auf dem ich in jene Zukunft gleiten konnte, die ich nie sehen würde.
    Ich erinnerte Jai an das Alter unserer Kinder: fünf Jahre, zwei Jahre, ein Jahr. »Schau«, sagte ich, »mit seinen fünf
Jahren wird sich Dylan vermutlich ein paar Erinnerungen an mich bewahren. Aber an wie viel wird er sich wirklich erinnern? Was wissen wir denn noch aus der Zeit, als wir fünf waren? Wird Dylan noch wissen, wie ich mit ihm gespielt habe und worüber er mit mir gelacht hat? Bestenfalls wird er sich vage erinnern. Und was ist mit Logan und Chloe? Sie werden sich vermutlich an gar nichts erinnern. Null. Vor allem Chloe. Und ich sage dir, wenn die Kinder älter sind, dann werden sie durch diese Phase gehen, dann werden sie sich schmerzlich danach sehnen, etwas zu erfahren: Wer war mein Vater? Wie war er? Diese Vorlesung könnte ihnen einmal helfen, Antworten auf ihre Fragen zu finden.« Ich würde sicherstellen, erklärte ich Jai, dass Carnegie Mellon den Vortrag aufzeichnete. »Ich besorge dir eine DVD. Wenn die Kinder älter sind, kannst du sie ihnen vorspielen. Es wird ihnen helfen, zu verstehen, wer ich war und was mir wichtig war.«
    Jai ließ mich ausreden, dann stellte sie die naheliegende Frage: »Wenn es etwas gibt, das du den Kindern sagen willst, oder einen Rat, den du ihnen geben willst, warum stellst du dann nicht einfach eine Videokamera auf und sagst es ihnen hier im Wohnzimmer?«
    An dem Punkt hatte sie mich fast. Aber eben nur fast. Der natürliche Lebensraum des Löwen ist der Dschungel, und mein Dschungel war noch immer der Campus, umringt von meinen Studenten. »Eines habe ich gelernt«, sagte ich zu Jai, »nämlich, dass es nichts schadet, wenn Außenstehende zum ausgleichenden Element bei Dingen werden, die Eltern ihren Kindern sagen wollen. Wenn ein großes Publikum an den richtigen
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