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Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth
Autoren: Susanne Gerdom
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und
gleichzeitig schlug die Tür hinter Raoul Winter zu.

 

    12. 19. 19. 03. 19.
    Alex, der Leiter des Æthernets, winkte Karla schon ungeduldig.
»Die Warteliste ist lang, Schätzchen. Eine Minute später, und ich hätte deine
Zeit jemand anders gegeben.« Er schob sie zur Liege. »Ausatmen, Luft anhalten«,
kommandierte er, setzte ihr die Maske auf und drehte gleichzeitig am Regler des
Apparates neben ihr. Der Ætherdampf drang in ihre Maske, Karla atmete ihn tief
ein und spürte beinahe augenblicklich seine benebelnde Wirkung. Die Maske
bedeckte das gesamte Gesicht, dämpfte die Geräusche und nahm ihr vollkommen die
Sicht. Sie lag im Dunkeln und kämpfte mit der Beklemmung, die ihr diese
Prozedur immer bereitete. Alex schnallte sie auf der Liege fest und befahl:
»Zählen!« Sie hörte, wie er den Vorhang um die Liege zuzog.
    Folgsam zählte sie von hundert rückwärts. Irgendwo verhaspelte sie
sich und begann von vorne. Dann war sie im Æthernet, eingeklinkt in die
»Gemeinschaft der Suchenden«, wie Alex das Net spöttisch nannte.
    Wie immer musste sie gegen die Desorientierung ankämpfen und die
Angst, die ihr Herz schneller schlagen ließ. Im Æthernet existierten die
Daimonen in ihrem körperlosen Zustand. Sie spürte die Gegenwart des diensthabenden
Netztechnikers wie ein Leuchtfeuer in der Dunkelheit und Kälte, in der sie eine
Unzahl gestaltloser, sich im stummen Tanz umeinander windender Daimonen und
hinter ihnen verborgen noch schrecklichere Wesen spüren konnte.
    Karla schottete ihr vor Angst kreischendes Bewusstsein gegen diese
Wesenheiten ab und dockte mit einer geistigen Streckbewegung am Knotenpunkt des
Netztechnikers an.
    Â»Willkommen«, sagte die körperlose Stimme. »Wonach suchst du?«
    Karla musste sich zurückhalten, um nicht nach Raoul Winter zu
fragen.
    Â»Vittore Perfido«, sagte sie. »Alles zu seinen Aktivitäten im
letzten halben Jahr. Dann brauche ich eine Auflistung der Kunstdiebstähle
seit …«, sie überlegte schnell, »… seit Dezember letzten Jahres.
Schwerpunkt: Bücher und Kultgegenstände.« Sie lachte, weil ihr ein Gedankenblitz
kam. »Und die Verbindung zwischen beiden Anfragen.«
    Â»Bewilligte Zeit?«
    Â»Eine Stunde.«
    Â»Dann ist dein Kontingent voll.«
    Sie spürte, wie der Netzknoten des Technikers in einem schnellen
Tempo zu pulsieren begann. Sie trieb in der Dunkelheit. Der Techniker nahm
jetzt Kontakt mit anderen Hexen auf und verband sich mit ihnen zu einem Metaknoten.
Nur so konnte das gesammelte Wissen angezapft werden.
    Die unzähligen kleinen Netzknoten leuchteten wie Sterne. Die
Dunkelheit des Ætherraums zwischen diesen Leuchtpunkten war angefüllt mit
Bewegung, Leben, Wesenheiten aus Æther und Bosheit. Sie glaubte, hinter dem
pulsierenden Netzknoten eine oder mehrere dieser Wesenheiten erkennen zu
können. Widerliche Manifestationen, die ihre klebrigen Fäden nach ihr
ausstreckten. Daimonen, die sich neugierig näherten.
    Ein Daimon kam heran. Seine Sinnesfäden strichen über ihren
Ætherkörper, und sie zwang sich, nicht zurückzuweichen, was sie in ihren
materiellen Körper zurückgeworfen hätte.
    Â»Geh weg«, dachte sie. »Hau ab! Ich will nichts von dir.«
    Der Daimon ließ sich nicht ablenken. Seine Sinnesfäden, die wie
kleine elektrische Entladungen prickelten und brannten, krochen über ihren
Ætherkörper und drangen in ihn ein.
    Karla zog sich so eng zusammen, wie sie konnte. Diese Art von
Annäherung hatte sie in der Theorie abzuwehren gelernt, doch sie konnte sich
vor lauter Panik nicht erinnern. Die Energiefäden des Daimons umfingen sie
immer dichter. Sein Ætherkörper verschmolz mit ihrem, und sie spürte die
Belustigung, mit der er ihren Abscheu registrierte.
    Â»Wie ist dein Name?«, dachte sie, um Fassung ringend. Endlich war
ihr der erste Schritt der Abwehr wieder eingefallen.
    Die Antwort war voller Hohn: »Finde ihn heraus, Hexe!«
    Er wusste, was sie war. Also musste er sie kennen.
    Â»Brad«, dachte sie. Wer sonst? Sie hatte ihn abgeschossen, er musste
eine Mordswut auf sie haben.
    Â»Das ist nicht mein Name.« Der Daimon gab ein körperloses Kichern
von sich. Er schien ihre Angst und ihren Ekel zu genießen wie einen besonderen
Leckerbissen.
    Â»Dein Menschenname ist Brad«, dachte Karla. »Du gehörst
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