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Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth
Autoren: Susanne Gerdom
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ließ.

 

    00. 00. 00. 01. 02.
    Karla hasste die ungemütlichen, kalt beleuchteten, endlos
langen Gänge der Uniklinik. Sie hatte sich zu oft und zu lange hier
aufgehalten, hatte in dem nach kaltem Rauch stinkenden Warteraum gesessen, vor
der Tür eines Krankenzimmers auf einen Arzt gelauert oder in der lauten
Cafeteria für eine Tasse schrecklich schmeckenden Kaffees angestanden.
    Sie stieg aus der Aufzugskabine und lief durch Gänge, die nach
Desinfektionsmitteln und diesem undefinierbar süßlichen Aroma rochen, das allen
Krankenhäusern der Welt eigen war.
    Sie blieb vor einer grün lackierten Tür mit verbeulten Metallkanten
stehen und klopfte an. Als sich nichts rührte, drückte sie die Klinke herab und
trat ein.
    Es stand nur ein Bett im Zimmer, und das war abgezogen worden. Die
Tür des kleinen Schranks stand offen, das Fenster war weit geöffnet und ließ
kalte Luft ein.
    Karla runzelte die Stirn und wandte sich zum Gehen. In der Tür stieß
sie mit einer Schwester zusammen, die freundlich lächelte und Karla fragte, ob
sie helfen könne.
    Â»Der Patient, der hier …« Karla wollte fragen, wohin er verlegt
worden war, aber der Gesichtsausdruck der Schwester ließ sie verstummen.
    Â»Sind Sie eine Angehörige?«, hörte sie die junge Frau fragen. Durch
das laute Rauschen in ihren Ohren drang noch: »Heute Nacht verstorben …
Beileid …«, dann stand sie draußen im Gang, starrte auf das zerkratzte
Linoleum und kämpfte darum, nicht in Tränen auszubrechen. Nicht jetzt, nicht
hier.
    Sie schlug mit der Faust gegen den zerbeulten Türrahmen. Einmal,
zweimal.
    Karla wehrte die Versuche der Schwester ab, sie zu trösten und ging
zum Aufzug zurück. Dort setzte sie sich auf eine Bank und starrte die
Aufzugknöpfe an. Die Tür glitt auf und wieder zu, und jemand kam auf sie
zugehinkt, schwer auf einen Stock gestützt, und setzte sich neben sie. Legte
den Arm um ihre Schulter und zog sie in eine tröstende Umarmung. Reichte ihr
ein Taschentuch, als die verdammten Tränen doch anfingen, ihre Sicht zu
verschleiern.
    Â»Fokko?«
    Karla nickte und schnaubte in das Taschentuch. »Gestern Nacht«, sie
schniefte. »So ein verdammter Scheißdreck!«
    Eine alte Frau in einem verschossenen geblümten Morgenmantel, die
vorbeischlurfte, sah sie schockiert an. Karla widerstand dem Impuls, ihr den
Mittelfinger zu zeigen, sondern schnaubte noch einmal kräftig in das
Taschentuch und steckte es ein. »Danke«, sagte sie und blinzelte eine Träne
weg. »Du kriegst es gewaschen zurück.«
    Raoul drückte noch einmal mitfühlend ihre Schulter. »Es war zu
erwarten, hm?«
    Â»Ja.« Karla biss die Zähne zusammen. »Das war es. Aber trotzdem …
Ich will wissen, wer dafür verantwortlich ist, damit ich ihn hinter Gitter
bringen kann!« Sie schüttelte sich, stand auf und reichte Raoul die Hand, um
ihm auf die Beine zu helfen. »Was sagt dein Arzt?«
    Er hinkte neben ihr her, wobei er seine Hand auf ihrer Schulter
liegen ließ. »Er ist ganz zufrieden. Ich werde wohl noch eine Weile die Krücke
brauchen, aber er glaubt, dass das Bein wieder ganz in Ordnung kommt. Ich muss
Geduld haben.« Er verzog das Gesicht. »Meine Kerntugend.«
    Karla lächelte ihn an. »Du bist der geduldigste Mensch, den ich
kenne«, sagte sie. »Oder der sturste. Wirst du entlassen?«
    Raoul nickte mit erleichterter Miene. Karla musterte ihn, während
sie hinunterfuhren. Er sah immer noch mitgenommen aus, was kein Wunder war.
Toras Schüsse hatten ihn so schwer verletzt, dass sein Leben ein paar Tage lang
wirklich nur noch an dem seidenen Faden der Essentia gehangen hatte, die Karla
ihm zufließen ließ. Die Prozedur hatte sie beide so geschwächt, dass Karla –
gegen sämtliche Regeln der Klinik – in das Bett neben ihm eingezogen war und
dort fast eine Woche rund um die Uhr geschlafen hatte.
    Als sie erwachte, sah sie in Raouls blasses, lächelndes Gesicht. Sie
waren beide zu schwach und erschöpft, um viel miteinander zu reden. Das musste
warten bis später.
    Karla war nun schon seit zwei Wochen wieder auf den Beinen. Sie
hatte sich darum gekümmert, dass Horace und eine Versatile namens Alexandra den
Generator auf Raouls Dachboden zerlegten. Horace hatte sich dafür sogar eine
Woche freigenommen – etwas, das sonst nie vorkam, wie er
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