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Last Date

Last Date

Titel: Last Date
Autoren: Uwe Andreas Siebert
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Wand angebrachtes, uraltes Plakat, auf dem das Beispiel eines Abbiegevorgangs mit einem Pferdewagen, einem Radfahrer und einem PKW an einer Kreuzung ohne Ampel und jegliche Verkehrszeichen erklärt wurde. Martin hatte sich schon mehrmals gefragt, ob es eine solche Kreuzung hier in Göttingen überhaupt noch gab? Oder überhaupt in Deutschland? Und wenn ja, wann dort das letzte Mal ein Pferdewagen bei Gegenverkehr nach links abbiegen wollte?
      Als Martin seine Tasse auf den Schreibtisch stellte, drehte sich der Fremde zu ihm herum und sah Martin durch seine große, dunkle Sonnenbrille an. Martin schätzte ihn auf Mitte bis Ende Zwanzig und wartete neugierig auf den Grund seines Besuchs. Im Normalfall waren Fahranfänger deutlich jünger. Oder hatte er aus einem Fehlverhalten heraus seinen Führerschein abgeben müssen und wollte sich jetzt erneut für eine Fahrprüfung anmelden. Warum nahm der Mann seine Sonnenbrille nicht ab? Erst als Martin mit ausgestreckter Hand auf den Fremden zu ging, erkannte er den Grund. Nur wenige Zentimeter unter seinem rechten Auge verlief eine fast horizontale, recht frisch wirkende Narbe. Sie war bestimmt sechs, oder sogar sieben Zentimeter lang und wurde nicht ganz vom unteren Rand der Sonnenbrille verdeckt.
    Martin zwang sich nicht weiter auf Die Narbe zu sehen, was nicht ganz so einfach war, da er durch die dunklen Gläser der Sonnenbrille die Augen des Mannes nicht erkennen konnte und nicht wusste, wo er sonst hinschauen sollte. Er nahm seinen Kopf etwas nach unten und sah zu, wie sich ihre beider Hände schüttelten. Dabei fragte er: „Wie kann ich Ihnen helfen?“
    Der Fremde entgegnete mit festem Händedruck: „Sind Sie Herr Becker? Martin Becker?“
    Unwillkürlich hatte Martin den Kopf wieder gehoben. Er musste seine erste Einschätzung jetzt korrigieren, die Narbe war doch nicht ganz so lang wie auf den ersten Blick gedacht. Er schätzte sie jetzt auf etwa fünf Zentimeter. Und obwohl die Stiche sehr fein gearbeitet waren, hatte er den Eindruck, dass die Verletzung sehr tief gewesen sein musste, da deutlich ein Wulst zu erkennen war. Etwas verlegen sah er ihm jetzt in die Augen. Da er direkt vor ihm stand, konnte er sie nun durch die dunklen Gläser schwach erkennen. Als er erkannte, dass das rechte sich nicht bewegte, wandte er seinen Blick sofort wieder ab und zwang sich, etwas verunsichert, auf den Mund seines Gegenübers zu sehen.
    Martin wurde bewusst, dass der Fremde etwas zu ihm gesagt hatte. Er brauchte einen kleinen Moment, bis ihm wieder einfiel, was es war. Er räusperte sich kurz und antwortete mit einem übertriebenen Lächeln: „Ähm, ja, mein Name ist Becker. Was kann ich für Sie tun?“
    Er st jetzt ließ der Fremde Martins Hand wieder los. „Ich bin auf der Suche nach einer Fahrschule, wo ich zur Auffrischung ein paar Fahrstunden nehmen kann. Ein Bekannter hat mir von Ihnen erzählt, und da ich gerade hier in der Nähe war, habe ich mir gedacht, dass Sie vielleicht kurzfristig was arrangieren könnten.“
    Froh darüber, sich einen Augenblick lang nicht darauf konzentrieren zu müssen, wo er hinsah, nahm Martin seinen Terminplaner vom Schreibtisch und schaute hinein. „Was bedeutet für Sie kurzfristig? Herr ...“
    Sein Gegenüber zögerte einen Moment, entgegnete dann aber: „Oh, entschuldigen Sie. Schmidt.“
    Martin blätterte zu den Terminen für die nächste Woche und fragte: „Sind Sie hier aus Göttingen Herr Schmidt?“
    „Ich suche gerade eine Wohnung hier. Ich dachte , so in den nächsten Tagen könnte es mit den Fahrstunden losgehen. Oder haben Sie heute Abend zufällig schon Zeit?“
    Ohne zu zögern und lauter als eigentlich gewollt antwortet er: „Nein. Heute Abend geht leider nicht!“ Dann fügte er wieder in normalem Tonfall hinzu: „Aber ab Donnerstag gibt’s kein Problem, wir können Datum und Uhrzeit gleich festlegen, dann trage ich sie ein.“
    Herr Schmidt runzelte die Stirn. „Ähm, warten sie. Erreiche ich Sie heute Abend noch mal hier in der Fahrschule, um mögliche Termine durchzugeben?“
    Martin war angespannt. Irgendetwas störte ihn an d iesem Herrn Schmidt. Er empfand die Art, wie dieser ihn ansah als unangenehm, was aber auch seine eigene Unsicherheit sein konnte. Trotzdem hatte er irgendwie das Gefühl, dass es hier gar nicht um Fahrstunden ginge. Was es sonst war, konnte er aber auch nicht sagen. Er klappte den Planer wieder zu und legte ihn zurück auf das Sideboard. Dann sah er Herrn Schmidt wieder an und
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