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Lasst uns froh und grausig sein

Lasst uns froh und grausig sein

Titel: Lasst uns froh und grausig sein
Autoren: Friederike Schmöe
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Strohengelchen baumeln von der Decke, Sterne funkeln, hm, lecker, sagt Stefan, und Nora sagt, danke, freut mich, wenn’s euch schmeckt.
    Zunächst lässt sich Wiltrud nichts anmerken. Sie wird nur rot im Gesicht, so rot wie die Peppers. Dann schnappt sie plötzlich nach Luft, hechelt und prustet, trinkt ein Glas Wein auf einmal aus, und als sie keuchend in die Arme ihres wunderbaren Gatten sinkt, kommt eine kleine Stichflamme aus ihrem Mund. Melanie guckt ganz entsetzt und sagt: Trink doch mal einen Schluck Wasser, aber Wasser ist keines am Tisch, es muss erst geholt werden, und währenddessen liegt Wiltrud schon auf dem Teppich und japst. Ihre Augen werden glasig, sie beginnt zu kichern und zu lachen wie eine Gummisau.
    Probier’s mal mit Brot, sagt Stefan, als das Wasser nichts bringt und Wiltrud immer noch nach Atem ringt. Stefan weiß ja nichts von der Reise nach Amsterdam vor einigen Wochen. Nora wird noch heißer. Wenn Wiltrud jetzt das Zeitliche segnet, dann gibt’s Ärger, dann kommt raus, dass zu viel Tabasco und andere Pikantheiten in Wiltruds Schote waren, die kriminalistischen Labors finden so was bestimmt in Nullkommanix raus, und dann ist Nora dran und verbringt Weihnachten im Knast. Deswegen springt sie auf und jagt in die Küche, um Brot zu holen.
    Als Nora zurück ins Zimmer kommt, tanzt Wiltrud Merengue mit Sabine, die nicht weiß, was sie davon halten soll, aber mit Wiltrud um die Wette geckert. Hier ist das Brot, sagt Nora, doch in Wiltruds jetzigem Zustand scheint es aussichtslos, ihr irgendwas einverleiben zu wollen. Ihr Göttergatte steht dumm da und guckt und schwitzt und wischt sich ein ums andere Mal über die Stirn.
    Wiltrud singt Hey Big Spender und knöpft sich das Twinset auf. Stefan bricht lachend über seinen Peppers zusammen und sagt: Ist ja wahrhaftig ein scharfer Abend, echt, Nora. Er tunkt seine Gabel in Wiltruds Paprika. Lass das, schnauzt Melanie ihn an, und Nora hat den Eindruck, Melanie zählt zwei und zwei richtig zusammen. Stefan probiert die Gabelvoll mit der Zungenspitze. Mensch, davon fräst man sich ja die Speiseröhre auf!
    Wiltrud ist ein guter Mensch, und sie würde niemals Nora verdächtigen, mit Absicht Chemikalien oder auch nur eine Flasche Tabasco genau in ihre Schote geschüttet zu haben. Ihre Lippen färben sich glutrot, Hautfetzen rollen sich ab. Ihr Gesicht macht einem Tintenfisch Konkurrenz. Sie sabbert und beginnt zu heulen, stützt sich auf den Esstisch und reißt beinahe Hajos Pepperportion in die Tiefe. In ihrem momentanen Zustand schafft sie es nicht mal aus eigener Kraft zur Tür. Singend und lachend und heulend schmeißt sie ihre Beine charlestonlike in die Höhe und lässt sich von ihrem Angetrauten aus der Wohnung ins Auto schaffen, die teuren blonden Strähnchen vom letzten Friseurbesuch stehen von ihrem Kopf ab wie Stacheln. Stefan muss helfen, Wiltrud in den Wagen zu bringen, sie anzuschnallen, und dann aktivieren die Männer die Kindersicherung, denn Wiltrud fehlt augenblicklich der Zugang zur Wirklichkeit.
    Nora schließt aufatmend die Tür, als Stefan wieder im Raum ist. Im Wohnzimmer ist es still. Das war Absicht, sagt Stefan dann, grinst breit, und plötzlich brüllen sie alle los, lachen sich den Wolf, die Jungs und Mädels, Nora zuckt nur die Schultern, wirft Wiltruds Portion in den Müll und öffnet eine neue Flasche Wein.
     
    Gelächter am Glühweinstand. Wiltrud war bis zum ersten Feiertag total neben der Mütze, freut sich Stefan, die haben echt ein verschärftes Weihnachtsfest gehabt. Juliane beschützt ihren Eierpunsch und sagt, Mensch, in eurer Gesellschaft muss man ja aufpassen, dass nicht irgendwas Unerwünschtes im Glas landet. Quatsch, grinst Stefan, und plötzlich gucken die drei zu mir rüber, Melanie, Stefan, Juliane. Rasch schmeiße ich meinen leeren Pappbecher in den Mülleimer, versenke die Fäuste in den Anoraktaschen und spaziere nachdenklich nach Hause. Unterwegs komme ich an einem Supermarkt vorbei. Ich gehe rein. Nur um mal zu gucken, ob sie Paprikaschoten haben, und Tabasco habe ich auch keinen mehr im Haus. Dafür aber ein Andenken aus Holland.
     
    Katinka legte das Notizbuch weg. »Du lieber Himmel!«
    »Es ist eine wahre Geschichte«, sagte Dante. »So habe ich Nora kennengelernt. Über ein Gespräch am Glühweinstand.«
    »Nun übertreiben Sie mal nicht.«
    »Haben Ihnen die Paprika geschmeckt?«
    »Schon. Sie wollten nichts?«
    »Die Lebkuchensterne sind mir auf den Magen geschlagen. Rein mental
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