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Lasst uns froh und grausig sein

Lasst uns froh und grausig sein

Titel: Lasst uns froh und grausig sein
Autoren: Friederike Schmöe
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Schwiegermutter milde stimmen. Sie stellt ihre Handtasche neben die Papiertüte und wühlt darin herum. Dabei kippt die Tüte um und knallt mit Karacho aufs Pflaster. Sie flucht. Ich beuge mich vor. Niklaus ist ein guter Mann.
    »Warten Sie, ich helfe Ihnen!« Schon will ich anheben. Die Tüte ist ganz schön schwer.
    »Nicht nötig!« Sie reißt mir die braunen Packpapierhenkel aus der Hand.
    Ich habe dennoch einen Blick auf den Inhalt geworfen. In diesem Augenblick wächst ein Mädchen mit rosaroten Ohrschützern und ebensolchem Schneeanzug aus dem Boden und trällert ›Am Weihnachtsbaume‹. Da stiehlt sich eine Hand herbei, greift die Tüte.
    »He, meine Schokolade!«, lamentiert das süße Bonbonkind, aber ich bin schon unterwegs. Verfolge meinen Knecht quer durch die Spitalgasse. Trainiert bin ich immer noch, sprinte zwischen Einkaufstüten, Nordmanntannen und Heizpilzen hindurch und packe Knecht Ruprecht am Arm. Er ist stark und verzweifelt, aber ich habe die Technik drauf und nehme den Kerl in den Schwitzkasten.
    »Rufen Sie die Polizei!«, keuche ich den verblüfft dreinschauenden Passanten zu, die schon auf Sicherheitsabstand gegangen sind. »Der Kamerad hat gerade etwas sehr Wertvolles mitgehen lassen.«
     
    Wie sehr ich damit recht habe, erfahre ich eine Stunde später von Hauptkommissar Gassner, einem smarten Typen in Skianorak und Camelboots, der ganz schwach nach Zigarre riecht. Er hat die Schmuckkassette aus der Tüte geholt und zeigt auf die geprägten Initialen: O.W.
    »Juwelier Otto Weiß?«, frage ich. Mir schwant was.
    »Clever gemacht«, sagt Gassner. »Wie’s aussieht, haben Sie denen die Übergabe vermasselt. Die Frau haben wir auch. Dieser Herr hier steht schon eine Weile wegen Hehlerei im Verdacht, wir konnten ihm aber nie was nachweisen.« Er mustert mich mit sagenhaften jeansblauen Augen. »Sagen Sie, wie …«
    Ich strecke die Hand aus.
    »Caren Seidel, vorletztes Jahr deutsche Meisterin im Triathlon.«
    Er lacht und schlägt ein. Mein Magen knurrt.
    »Wie wäre es mit ein paar Bratwürsten, Frau Nikolaus?«
    Ich überlege blitzschnell.
    »Gern. Um kurz nach acht, Treffpunkt direkt unter dem Spitaltor?«
    Er nickt und winkt mit einer ringlosen Hand. »Bis dann.«
    Als er davongeht, bleibt ein Hauch von Zigarrenduft in der Luft schweben.
     
    *
     
    17 Uhr 10
    »Drollig«, kommentierte Katinka. Ihr knurrte der Magen. Die Lasagne musste längst fertig sein. Sie hatte ihre Bestellung vor einer knappen Stunde aufgegeben. Doch von Nora, der Chefin, war immer noch nichts zu sehen. Statt dessen wehte der eisige Wind einen neuen Gast herein. Einen Typen im schwarzen Anzug, dessen fusseliger Dufflecoat über dem Schmerbauch nicht mehr zu ging. Er trug einen Instrumentenkoffer in der Hand und setzte sich so, dass er das Eishockeyspiel sehen konnte.
    Dante lachte. »Wie finden Sie die Deko?«
    Ein künstlicher Weihnachtsbaum mit Lichterkette warf funzeliges Licht in den Gastraum. Die gedimmte Thekenbeleuchtung trug auch nicht viel zur Helligkeit in der Kneipe bei, aber immerhin sorgte sie für ein gewisses warmes Gefühl. Auf allen Tischen standen jeweils ein Teelicht sowie eine Vase mit einer weißen Rose und einem Fichtenzweig.
    »Extrem fantasievoll. Na endlich, da kommt die Chefin wieder.«
    Doch sie hatte sich zu früh gefreut. Die Frau, die den schweren Vorhang, der als Windfang dienen sollte, beiseiteschob und den Gastraum betrat, war nicht Nora. Sie trug ein Nikolauskostüm, hielt einen silbernen Bart in der Hand und sah sich müde um. Sie sank auf einen Stuhl an dem Tisch, der der Theke am nächsten stand. Walt Meier glotzte immer noch auf den Bildschirm. Der Mann im Anzug öffnete seinen Koffer und nahm resigniert ein Saxofon heraus. Bedächtig begann er, die Klappen durchzutesten. Ein eigenartiger Geruch drang in die Gaststube.
    »Oh, ich glaube, da brennt was an«, sagte die Frau, sprang auf und verschwand in der Küche.
    »Die kennt sich hier ja aus«, bemerkte Katinka.
    »Das ist Caren Seidel. Die Ex-Triathletin.«
    »Spinne ich jetzt?«
    Dante grinste. »Ich arbeite bei der Zeitung. Behalten Sie diesen Sachverhalt im Auge.«
    »Sie können mich mal.«
    Caren Seidel kam aus der Küche zurück. Sie hängte die rote Nikolausverkleidung über eine Stuhllehne. »Wer hatte die Lasagne bestellt?«
    Walt Meier schüttelte müde den Kopf. Caren kam zu Katinka und Dante an den Tisch. »Sie?«
    »Was, wenn ich jetzt Ja sage?«, fragte Katinka.
    »Dann kriegen Sie von mir die Info, dass die
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