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Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Titel: Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)
Autoren: Niccolò Ammaniti
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blassen Schimmer, wer zum Teufel das war. »Aber ich bin spät dran, entschuldige. Ein andermal. Sie warten auf mich …«
    Der Fotograf ließ nicht locker. »Hör mal, Fabrizio, beim Zähneputzen ist mir eine wahnsinnig starke Idee gekommen: Ich möchte ein paar Aufnahmen von dir auf einer illegalen Müllkippe machen …«
    Im Haupteingang der Villa Malaparte standen der Lektor Leopoldo Malagò und Maria Letizia Calligari, die Chefin der PR-Abteilung von Martinelli, und gaben ihm Zeichen, dass er sich beeilen solle.
    Mühsam hechelte der Fotograf, mit seinen fünfzehn Kilo Ausrüstung am Hals, hinter ihm her, gab aber nicht auf. »Das ist eine ganz abgefahrene Sache … echt cool … der Abfall, die Ratten, die Möwen … Verstehst du? Il Venerdì di Repubblica. «
    »Ein andermal, entschuldige.« Er warf sich zwischen die beiden im Eingang.
    Der Fotograf beugte sich erschöpft nach vorn und hielt sich die Seiten. »Kann ich dich in den nächsten Tagen anrufen?«
    Der Schriftsteller würdigte ihn keiner Antwort mehr.
    »Fabrizio, immer dasselbe mit dir … Der Inder ist seit einer Stunde da. Tremagli, dieser Nerver, wollte schon ohne dich anfangen.« Malagò schob ihn Richtung Saal, während die Calligari ihm das Hemd in die Hose stopfte und murmelte: »Unmöglich, wie du wieder angezogen bist. Wie ein Penner. Der Saal ist voll. Sogar der Bürgermeister ist da. Mach deinen Reißverschluss zu.«
    Fabrizio Ciba war einundvierzig Jahre alt, galt aber bei allen als junger Schriftsteller. Dieses Attribut, regelmäßig von der Presse und den anderen Medien wiederholt, übte eine wundertätige Wirkung auf seinen Körper aus. Fabrizio sah nicht älter aus als fünfunddreißig. Er war schlank und kräftig, ohne ins Fitnesscenter zu gehen. Er betrank sich jeden Abend, doch sein Bauch war noch immer so flach wie ein Brett.
    Ganz anders lag die Sache bei seinem Lektor Leopoldo Malagò, genannt Leo. Malagò war fünfunddreißig, sah aber, wenn man nett sein wollte, zehn Jahre älter aus. Schon in jungen Jahren waren ihm die Haare ausgefallen, nur ein weicher Flaum war auf seinem Kopf zurückgeblieben. Sein Rückgrat hatte sich nach dem Philippe-Starck-Stuhl verformt, auf dem er zehn Stunden am Tag zubrachte. Seine Wangen waren schlaff geworden und verdeckten wie ein barmherziger Vorhang das Dreifachkinn. Der Bart, den er sich schlauerweise hatte wachsen lassen, war nicht dicht genug, um diese Gebirgslandschaft zu verbergen. Sein Bauch war so aufgebläht, als hätte man ihn mit einem Kompressor aufgepumpt. Was das leibliche Wohl der Lektoren anging, scheute man bei Martinelli keine Kosten. Dank einer speziellen Kreditkarte konnten sie sich jederzeit in den besten und teuersten Restaurants vollstopfen und Schriftsteller, Schreiberlinge, Dichter und Journalisten zu Arbeitsgelagen einladen. Das Ergebnis dieser Politik war, dass die Martinelli-Lektoren eine Bande fettleibiger Feinschmecker waren, in deren Adern Cholesterinmoleküle jeder Art ungestört ihr Unwesen treiben konnten. Folglich musste sich Leo, trotz Schildpattbrille und Bart, womit er aussah wie ein sephardischer Jude aus New York, und trotz seiner weichen, sumpfgrünen Anzüge bei seinen amourösen Eroberungen ganz auf seine Macht, seine Dreistigkeit und seine dumpfe Hartnäckigkeit verlassen. Das alles galt nicht für die Martinelli-Frauen. Sie kamen als blasse Sekretärinnen in den Verlag und wurden mit den Jahren dank enormer Investitionen in ihre Person immer besser. Mit fünfzig waren sie dann, insbesondere wenn sie im PR-Bereich tätig waren, zu coolen alterslosen Klassefrauen geworden. Das beste Beispiel dafür war Maria Letizia Calligari. Niemand wusste, wie alt sie war. Manche sagten, sie sei sechzig und sehe jünger aus, andere, sie sei achtunddreißig und sehe älter aus. Sie hatte nie Papiere bei sich. Böse Zungen flüsterten, sie fahre nicht Auto, um keinen Führerschein in der Tasche haben zu müssen. Vor dem Schengener Abkommen war sie allein zur Frankfurter Buchmesse gefahren, um niemandem den Pass zeigen zu müssen. Doch einmal hatte sie nicht achtgegeben. Eines Abends war ihr auf der Turiner Buchmesse herausgerutscht, dass sie Cesare Pavese persönlich gekannt hatte.
    »Und denk dran, Fabrizio, nicht gleich den armen Tremagli attackieren«, bat ihn Maria Letizia.
    »Los jetzt, geh. Zeig ihnen, was du draufhast.« Malagò schob Fabrizio in den Veranstaltungssaal.
    Ciba hatte einen Trick, um sich vor Betreten der Arena auf Trab zu bringen. Er
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