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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose
Autoren: Sonia Marmen
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seinem Bruder zu, der die Sterne betrachtete, die über dem Tal an dem gewaltigen, dunklen Himmelszelt standen.
    »Was soll ich erzählen?«, fragte er, obwohl er bereits ahnte, worauf sein Bruder hinauswollte.
    »Du weißt schon … Glenlyon. Da ist doch etwas passiert …«
    Ranald richtete den Blick auf ihn und musterte ihn skeptisch.
    »Du hast doch wohl nicht geglaubt, dass ich dein Lügenmärchen schlucken würde?«
    Duncan verzog den Mund und lachte leise.
    »Nein, wohl kaum… Ich kenne doch deinen Scharfblick, Bruder.«
    »Und? Hast du die Klinge deines Dolchs befleckt, ist es das? Hast du gegen Alasdairs Befehle gehandelt?«
    Einen Moment lang zögerte Duncan. Er brauchte nur die Vermutungen seines Bruders zu bestätigen und ihm zu verschweigen, dass eine Campbell-Frau ihn zum Rückzug genötigt hatte. Aber Ranald hätte rasch erraten, dass er ihn anlog.
    »Es hat tatsächlich jemand auf der Lauer gelegen und uns beobachtet«, gestand er schließlich.
    »Und?«
    »Ich habe ihn aufgescheucht und verfolgt; schließlich musste ich verhindern, dass er Alarm gab.«
    »Hast du ihn getötet?«
    »… Nein. Es war eine Frau.«
    Im bläulichen Mondlicht blitzte eine Zahnreihe auf.
    »Eine Frau? Dunnerlittchen!«, rief Ranald aus. »Und du hast sie… Ich meine… Also, du weißt schon. Einer Campbell-Frau Gewalt anzutun, das ist nicht …«
    »Nein, Ran.«
    Kurz unterbrach er sich, nahm einen weiteren Schluck Whisky und verzog das Gesicht.
    »An Begierde hat es mir nicht gefehlt, bei Gott! Ich hätte sie gern genommen, dort auf der Heide. Eine Campbell, Ran, kannst du dir das vorstellen? Und sie war allein, unbewaffnet und ganz furchtbar … verlockend. Aber was denkst du von mir? Außerdem könnte ich schwören, dass die Jungfrau gewesen ist.«

    »Und du hast nichts dagegen unternommen? Du, Duncan Coll Macdonald, der Herzensbrecher? Du erzählst mir doch schon wieder ein Märchen!«
    »Nein, leider nicht. Wie konnte ich nur so dumm sein! Ich hatte schon große Lust, aber …«
    Er räusperte sich und fuhr sich mit der rauen Hand über das Gesicht, auf der Suche nach einer Ausrede, um sein Versagen zu erklären.
    »Ich sage dir, sie war eine richtige Hexe! Und mit einem unerhörten Schandmaul noch dazu. Sie hätte bestimmt einen Bann über mich verhängt! Ich schwöre dir, dass sie ein gemeines kleines Luder war. Geflucht hat sie wie ein Mann. Sie hat sogar die Dreistigkeit besessen, mich mit ihrem Sgian dhu zu bedrohen und erklärt, sie würde mir …«
    Bei dem Gedanken daran, wie ihm die Frau mit ihrem kleinen Messer unter der Nase herumgefuchtelt hatte, brach er plötzlich wieder in Gelächter aus.
    »Womit hat sie dir gedroht?«
    »Mir mein bestes Stück abzuschneiden und es mir in den Mund zu stopfen. Und danach stand mir nun wirklich nicht der Sinn, verstehst du?«
    Ranald riss die Augen auf und öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Doch stattdessen konnte er sich eines kurzen Auflachens nicht erwehren.
    »Diese Frau war eine Furie«, rechtfertigte sich Duncan. »Aber mach dir keine Gedanken, ich habe sie nicht gehen lassen, ohne mir ein Pfand von ihr zu holen. Ich habe ihr einen Kuss geraubt. Und schließlich ist aufgeschoben nicht aufgehoben, Ran.«
    »Du hast sie geküsst! Du hast eine Campbell geküsst? Und wie hat sich das angefühlt?«
    »Hmmm …«, murmelte Duncan und erinnerte sich an die seltsamen Empfindungen, die in ihm aufgestiegen waren. »So einfach wird sie mir nicht davonkommen, dieses Luder, das schwöre ich dir.«
    Ranald stieß einen Pfiff aus und schüttelte dann langsam den Kopf.
    »Du hast doch hoffentlich nicht vor, noch einmal zurückzugehen?
Wenn die Campbells dich fangen, wird es ihnen ein Vergnügen sein, dich baumeln zu lassen. Du weißt doch noch, was sie mit Robertson gemacht haben, oder? Sie haben ihn aufgehängt, obwohl das Mädchen um sein Leben gefleht hat.«
    »Ja sicher, ich weiß …«
    Duncan richtete den Blick in die Ferne. Dann bemerkte er einen kleinen Lichtpunkt, der plötzlich weiter unten, im Tal, aufgetaucht war und hinter den Bäumen immer wieder aufflackerte. Das Licht schien dem gewundenen Lauf des Flusses zu folgen: eine Fackel, die von einem Reiter getragen wurde. Ein Ruf erscholl. Fraoch Eilean! Ihm gefror das Blut in den Adern.
    »Ann cran-tàra! Herrgott, Ran! Es ist das Flammende Kreuz!«
    Er richtete sich auf dem Felsblock auf, und sein Bruder tat es ihm sogleich nach.
    »Meinst du?«
    »Was sollte es sonst sein? Der Earl of Mar ruft uns unter der
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