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Lanzarote

Lanzarote

Titel: Lanzarote
Autoren: Michel Houellebecq
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wurde sie von einem gewissen Philippe Leboeuf, früher Pferdesport-Reporter bei irgendeiner Lokalzeitung – ich glaube, es war La Montagne in
    Clermont-Ferrand. Im Jahre 1973 hatte er bei einer Wan derung in einem Krater des Puy de Dôme eine Begegnung mit Außerirdischen gehabt. Sie nannten sich Anakim; sie hatten vor vielen Millionen Jahren die Menschheit im Labor erschaffen und verfolgten aus der Feme die Entwicklung ihrer Geschöpfe. Natürlich übergaben sie Philippe Lebceuf Botschaften an die Irdischen; er kündigte seinen Job als Pfer desport-Reporter, nannte sich fortan Azrael und gründete die azraelistische Kirche. Eine der Missionen, mit denen er betraut worden war, bestand darin, die Residenz zu errichten, in der die Anakim bei ihrem nächsten Besuch auf der Erde wohnen sollten. Weiter gingen meine Informationen nicht; ich wusste allerdings auch, dass die Sekte als gefährlich eingestuft und observiert wurde. Die Broschüre jedenfalls, die der junge Mann mir gegeben hatte, war vollkommen harmlos. Sie hieß BESTIMMEN SIE IHREN SINNLICHKEITS-QUOTIENTEN und enthielt Fragen á la: »Masturbieren Sie häufg?« oder »Ha ben Sie schon einmal Gruppensex praktiziert?«; derlei ist in jeder Ausgabe von ELLE zu fnden.
    Die Gefährtin von Eternal Light kam zu ihrem Tisch zurück und setzte sich, sie hatte irgendwelchen Korbscheiß gekauft. Als sie meine Zigarette sah, schrak sie entsetzt zurück; ich drückte sie sofort aus. Sie sah hundertprozentig aus wie eine australische Grundschullehrerin. Eternal Light sperrte ver blüfft den Mund auf: In sein frommes Buch versunken, hatte er nicht mal bemerkt,
    dass ich rauchte. Besser, ich verzog mich, mit diesen Clowns würde es schnell Ärger geben; wo steckte Rudi? Ich wanderte einmal langsam um den Platz, bis ich ihn fand, ins Gespräch mit einem der Azraelisten vertieft.
    Auf der Fahrt nach Famara lieferte er mir ein paar neue In formationen. Azrael zufolge hatten die Anakim nicht nur die Menschen, sondern alles irdische Leben erschaffen. »Na, herz lichen Glückwunsch«, lachte ich zwischen den Zähnen. So völlig absurd war die Idee ja vielleicht nicht; ich hatte schon von Theorien über den außerirdischen Ursprung des Lebens gehört, irgendwelche Sporen voll Bakterien vom Mars oder so was in der Art. Ich wusste nicht, ob diese Theorien mittlerweile bestätigt waren oder ob man sie verworfen hatte, und ehrlich gesagt war es mir ziemlich schnuppe. Die Straße schlängelte sich in Serpentinen bis zur Ermita de las Nines und führte von dort zurück zur Küste hinunter. Oben angekommen, bemerk te ich, dass auf der Westseite der Insel ein ganz anderes Wetter herrschte. Dicke graue Wolken hingen am Himmel, der Wind pfff zwischen dem Gestein hindurch.
    Famara bietet dem Besucher den bedrückenden Anblick eines misslungenen Badeortes. Hier spürt man den norwe gischen Einfuss am stärksten. Ein paar fachshaarige Grund besitzer pfegen beharrlich kümmerliche Gärtchen (denn ob wohl der Himmel in Famara ständig bedeckt ist, regnet es nie, genauso wenig wie auf
    der übrigen Insel); den Rechen in der Hand, blickten sie uns nach. Überall hingen Schilder Room to rent. Unser Wagen war so gut wie der einzige, der am Meer entlangfuhr; vom Geräusch unseres Motors angelockt, traten die Wirte der Cafés hoffnungsvoll vor die Tür. Der Strand, das muss man sagen, war wunderschön, eine mehrere Kilometer lange, sanft geschwungene Bucht voll weißem Sand; aber das Meer war zu grau, zu bewegt, als dass man hatte schwimmen wollen, und Windsurfen ist auch nichts für einen ganzen Monat Ferien. Keinerlei Gerausch wies auf menschliches Leben hin, weder Fernseher noch Radio, nichts. Halb im Sand versunken, roste ten ein paar Jachten vor sich hin.
    All das tat meiner guten Laune keinen Abbruch; in diesem Moment bemerkte ich, dass ich die Insel zu mögen begann. Rudi hingegen war furchtbar enttäuscht, als würde er gleich losweinen. »Na ja«, – ich fühlte mich befügt, ihn zu trösten -, »kein Wunder, dass nicht viel los ist. Die ganze Zeit bedeckt, das Meer so unfreundlich ... das scheißt die Leute an.« Wir beschlossen, zu den Vulkanen zu fahren.
    Je weiter wir nach Süden kamen, desto imposanter wurde die Landschaft. Kurz hinter der Abzweigung nach Tinajo woll te Rudi anhalten. Ich trat auf der kleinen Plattform, die ins Leere hinausragte, neben ihn. Er stand da, starren Blicks, wie hypnotisiert. Wir befanden uns hoch oben über einer völligen Steinwüste. Vor
    uns klaffte ein
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