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Lange Finger - flinke Beine

Lange Finger - flinke Beine

Titel: Lange Finger - flinke Beine
Autoren: Wolfgang Ecke
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und ab gehe?«
    »Absolut nicht.«
    »Dann lehnen Sie sich zurück und entspannen Sie sich.« Otto erhob sich, streckte sich ein wenig und begann mit ruhigen, fast geräuschlosen Schritten, sechs Meter hin und sechs Meter zurück zu gehen. Seine Stimme klang leise und beschwingt. So, als bereite es ihm Genuß, die Vergangenheit noch einmal akustisch aufzubereiten.
    »Wie üblich schickte ich meinen Freunden einen Brief. Diesmal schrieb ich ihnen, daß der Faschingstrubel dringend gewisse Aktivitäten erfordere und daß sie sich zwecks Besprechung einer Geschäftsordnung, bei der ich meinen Plan vorstellen wollte, bei mir einfinden sollten.«
    »Und sie kamen alle?«
    »Natürlich kamen sie, Herr Hiller. Wir waren wie immer vollzählig und voller Unternehmungsgeist. Schließlich taten wir, was wir taten, immer nur gemeinsam.«
    »Und wenn einer einmal krank war?«
    »Fand kein Unternehmen statt.«
    »Ohne Ausnahme?«
    »Ohne Ausnahme!«
    »Erinnern Sie sich noch des Datums dieses Treffens?« Ein kaum wahrnehmbarer ironischer Zug war um Ottos Mundwinkel, als er antwortete:
    »Natürlich erinnere ich mich noch genau an das Datum. Für Sie ist es allerdings unwichtig. Lassen wir es dabei bewenden, daß es ein kalter Tag war. Sogar ein sehr kalter Tag...«

An einem kalten Tag im Januar

    Otto hob sein Glas, schwenkte es im Halbkreis und sagte: »Zunächst, meine lieben Freunde, laßt uns besonderen Dank sagen an Cäsar, der es trotz neuer Filialeröffnungen geschafft hat, uns vollzählig sein zu lassen.«
    Cäsar, ein großer, hagerer Endvierziger, wehrte beidhändig ab, bevor er beteuernd rief:
    »Aber ich bitte euch, macht doch nicht so viel Aufhebens von einer Selbstverständlichkeit. Ich wäre selbst dann gekommen, wenn mein Bett gebrannt hätte!« Und er stieß ein helles Lachen aus, in das die anderen fröhlich einstimmten.
    »Wir werden auf diese deine Versicherung zurückkommen, wenn dein Bett wirklich brennt, Cäsar!« tönte Otto über die ausklingende Heiterkeit. Dann holte er tief Luft, und eine Spur ernster sagte er:
    »Liebe Freunde, laßt mich zum Thema kommen!
    Am übernächsten Sonntag veranstaltet der Herr de la Monte einen Hausball. Er selbst bezeichnet ihn als >winterlichen Faschingsvorgriff<. Aber das hat nicht viel zu sagen. Was die Namen seiner sogenannten Bälle anbetrifft, war er noch nie besonders erfindungsreich. Philippe de la Monte bewohnt eine Villa am Grillparzer-Park.«
    »Mit dem Rücken zum Grün?« wollte Cäsar wissen.
    »Ja. Die Örtlichkeiten sind, auch wenn zur Zeit das schützende Grün fehlt, für unsere Zwecke optimal.«
    »Wovon lebt dein de la Monte?«
    Der Fragesteller mit dem Namen Napoleon stellte figürlich das Gegenteil von Cäsar dar. Er war von untersetzter Fülle, die zuoberst in einer spiegelblanken Glatze endete. Er trug eine goldgefaßte Brille, und in seiner dezent gemusterten Krawatte steckte eine Brillantnadel, für deren Gegenwert er sich mit Sicherheit einen der teuersten Wagen hätte kaufen können. Im krassen Widerspruch zur Masse seines Körpers standen die schmalen langen Finger, die an Pianistenhände erinnerten.
    »Das ist eine gute Frage, Napoleon!« nickte Otto. »De la Monte kommandiert ein Hosenimperium, das pro Tag zehntausend Hosen herstellt. Gute, teure ebenso wie preiswerte, dafür weniger gute. Er liebt Beethoven, spielt leidlich gut Bratsche und züchtet dänische Doggen. Da seine Gemahlin jedoch Angst vor diesen hat, züchtet er sie draußen in Langenbach und hält sich im Haus nur einen Zwergpudel.
    De la Monte dürfte zu seinem Hausball etwa vierzig bis fünfzig Gäste bewirten. Man wird plaudern, tratschen, die nicht Anwesenden akustisch zerlegen, Musik hören und sich auch an das eine oder andere Tänzchen wagen.«
    »Zählst du auch zu den Gästen, Otto?« erkundigte sich Napoleon.
    »Formuliere es korrekter. Ich bin zwar eingeladen, werde als Gast jedoch erst nach dem Ereignis in Erscheinung treten.«
    Titus, der vierte Mann in der Runde, ein Herkules von Gestalt und Stimme, wollte wissen: »Bist du sicher, daß sich ein Fischzug bei solchem Anlaß lohnt?«
    Noch bevor Otto antworten konnte, meldete sich der fünfte und letzte Teilnehmer dieses merkwürdigen Treffens zu Wort.
    »Warum sollte der Anlaß keinen Fischzug zulassen, Titus?«
    »Ganz einfach«, dröhnte Titus’ Baß, »es handelt sich ja wohl um einen Faschingsball, Barbarossa. Und zu einem Faschingsball kostümiert man sich in der Regel. Glaubst du, daß sich ein Rotkäppchen
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