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Landnahme

Landnahme

Titel: Landnahme
Autoren: Christoph Hein
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machen. Du hast jetzt einen guten Freund gewonnen, der um dich bemüht ist und unermüdlich besorgt, jeden Schaden von dir zu wenden. Deine Bank. Denn wenn du krachen gehst, wird sie ein paar Mark verlieren, und das haben Banken nicht gern. Glaub mir, Sigurd, deine Sparkasse hat schlaflose Nächte, wenn sie an dich und die Kredite denkt. Also überlass die Angst vor einem Bankrott deiner Bank. Und bleib jetzt nicht stehen, mach weiter. Mach weiter Schulden. Geld ist im Augenblick nicht billig, aber eine solche Situation, wie ihr sie momentan habt, die darfst du nicht ungenutzt vergehen lassen. In zehn Jahren ist alles festgezurrt, dann geht alles geruhsam voran, dann ist die Goldgräberzeit passé. Jetzt ist Pionierzeit, jetzt musst du die Pflöcke setzen. Also mach weiter, Sigurd. Wenn ich in einem Jahr wiederkomme, will ich etwas mehr sehen als heute, verstanden?«
    Schlaflose Nächte hatte ich mehr als genug, doch wie Gustav gesagt hatte, ich vergrößerte meine Betriebe fortwährend. Da ich den Kies selber benötigte und keinen an Fremdfirmen verkaufte, so dass Brönner und Karlitzke nun zu entlegenen Gruben fahren mussten und zusätzlich riesige Transportwege zu kalkulieren hatten, konnte ich die beiden bei allen Ausschreibungen leicht unterbieten. Brönner, der aus Hessen gekommen war, begriff schnell und zog sich aus unserer Gegend zurück. Karlitzke mühte sich weiter und musste nach einem Jahr Insolvenz anmelden. Nun war ich die einzige Straßenbaufirma der Region, und keiner und niemand kam mehr an mir vorbei.
    Wessenburg war, wie wir es verabredet hatten, neuer Bürgermeister geworden, der Stadtrat bestand im Wesentlichen aus den Mitgliedern unseres Kegelklubs, so dass das heimische Gewerbe bei allen städtischen Aufträgen ausreichend berücksichtigt wurde. Acht Jahre nach dem Mauerfall besaß ich in Guldenberg acht verschiedene Firmen, und mein Geld steckte in weiteren zwölf Firmen drin, bei denen ich beteiligt war. Mir gehörte sogar ein Teil der Hafenanlage in Rostock, was für den Überseetransport von Vorteil war, denn mittlerweile importierte und exportierte ich den Kies, wie immer die Marktlage es angeraten sein ließ.
    Heute machen mir allein meine beiden Töchter Kummer. Im heiratsfähigen Alter sind sie beide, doch zur Vernunft sind sie nicht gekommen. Liane schmeißt alle paar Monate ihre Arbeitsstelle und läßt sich stattdessen von ihrer Mutter versorgen, die sich über meine Anordnung, Liane auf keinen Fall Geld zuzustecken, hinwegsetzt und sie immer wieder unterstützt. Und mit jeder Arbeitsstelle wechselt sie ihren Freund, so dass ich zwei-, dreimal im Jahr an unserem Frühstückstisch ein neues Gesicht erblicken darf und das Geturtel und Getätschel meiner Tochter zu ertragen habe. Und Jenny ist leider nicht mehr mit Paul zusammen, sondern nach Leipzig gezogen, wo sie von irgendetwas lebt,von der Sozialhilfe oder von Diebstählen, jedenfalls nicht von der Arbeit. Ich bin einmal zu ihr gefahren, um sie auf den rechten Weg zu bringen. Sie lachte über mich und sagte mir frech ins Gesicht, entweder heirate sie reich oder erbe reich, in jedem Fall sei für sie gesorgt, und ich müsse mir um sie keine Gedanken machen.
    Ich habe noch immer die Hoffnung, dass zumindest eins der Mädchen sich besinnt und ich ihr und einem vernünftigen Schwiegersohn mein kleines Imperium übergeben kann. Wenn Jenny und Paul heiraten würden, was mir am liebsten wäre, dann müsste ich mir um meine Firmen keine Sorgen machen, denn Paul arbeitet bei seinem Vater mit, ist fast gewitzter als sein Alter und von früh an bis in die Nacht hinein für die Firma unterwegs. Alle Absprachen und Verträge ließ Bernhard durch Paul tätigen, und selbst ich musste höllisch aufpassen, wenn Paul in meinem Büro erschien und mir mit Engelsmiene ein für mich lukratives Geschäft vorschlug. Obwohl ich für ihn so etwas wie ein Onkel war und er in seiner Kindheit fast jeden Tag zu einer Mahlzeit bei uns am Tisch saß, versuchte dieser Höllenjunge auch mich hereinzulegen. Paul würde ich meine Firmen von Herzen gern übergeben, und wer weiß, wenn meine Töchter blöd bleiben, werde ich sie vielleicht eines Tages enterben, so dass ihnen gerade noch der Pflichtteil bleibt, und alles Paul schenken.
    Bernhard Haber war ebenfalls nicht untätig gewesen, und ich hatte ihn, so gut es ging, beraten und unterstützt. Die Tischlerei wurde ihm zurückgegeben, den dazugehörigen Anbau, das Heizhaus und sämtliche Investitionen, die
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