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Landluft für Anfänger 01: Großstadtmädchen haben's schwer

Landluft für Anfänger 01: Großstadtmädchen haben's schwer

Titel: Landluft für Anfänger 01: Großstadtmädchen haben's schwer
Autoren: Nora Lämmermann , Simone Höft
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Montag ab, hat Mattis Angebot in den Kleinanzeigen gesehen. Mein Leben passt auch in eine Kleinanzeige: Hübsches Mädchen Hübsche Frau sucht vorzeigbares Leben. Volles Programm: Karriere, Freunde, Mann. Und bald auch Wohnung: Denn wenn der Job weg ist, kann ich mir die Wohnung auch bald abschminken. Zumal unten am Schwarzen Brett eine Nachricht vom Vermieter hing: Sanierungsplan. Wenn ich überhaupt drinnen bleiben darf, gibt das eine saftige Mieterhöhung. Und – hier stellt sich wieder die Frage – wovon soll ich die bezahlen?
    David, dieser Schleimer, kann mich auch mal kreuzweise. Kurz nach meiner Kündigung war das die nächste Mail, die mich im CC erreicht hat:
    Von: David
An: Patrick
CC: Mia, Leonie, Manuel
Betreff: Kolumne
Klingt super, Patrick. Genauso machen wir’s. Kolumne im Heft und online Videos als Ergänzung. Freu mich! David.
    Verräter.

Samstag, 12. Oktober

9:40. Autobahnausfahrt Boblitz/Calau
    Pling! Der Blackberry kann grad mal die Klappe halten. ‚In einer Stunde Check-in Tegel, Rückflug nach Frankfurt’, will er mir sagen. Das Gerät weiß nicht, dass diese Erinnerung für mich nicht mehr relevant ist.
    »In fünfhundert Metern nehmen Sie die Ausfahrt! Nehmen Sie die Ausfahrt!«
    Genau. Ich befinde mich nämlich etwa eine Stunde Fahrtzeit südlich von Berlin. Ausfahrt Vetschau/Burg. Hoppla, nicht so schnell in die Kurve! Muss wohl so eine Art Kurzschluss gewesen sein heute Morgen. Der Wecker klingelte zur gewohnten Zeit, ich wollte noch ein paar Unterlagen durcharbeiten, frühstücken und dann zum Flughafen. Aber dann … vielleicht machen das die vielen Schlaftabletten, die ich zurzeit schlucke. Bin schon schlecht aus dem Bett gekommen. So ein stechender Schmerz in der linken Schläfe. Und als ich nach der Dusche an dem kleinen Tisch da im Hotelzimmer saß, fing auf einmal mein Herz an zu rasen. So schlimm war’s noch nie. Unregelmäßiger, völlig irrer Galopp. Dann Schnappatmung, ich bekam keine Luft, Engegefühl im Brustkorb, die Zimmerwände schienen näher zu kommen. Panik. Ich bin raus auf den Balkon, hab mich gezwungen, ruhig zu atmen, und dann heulte ich plötzlich los. Konnte nichts dagegen machen. Zum Glück hat mich keiner gesehen! Ich hab mir das Weinen schon vor langer Zeit abgewöhnt. Ich hatte immer das Gefühl, als wenn mit den Tränen die Kraft aus meinem Körper liefe. Ich hab mich mühsam zusammengerissen, meine Sachen gepackt und ausgecheckt. Wollte auf keinen Fall Michael begegnen, schon gar nicht in diesem Zustand. Bin mit dem Taxi Hals über Kopf los. Weg, nur weg. Erst ging es Richtung Flughafen. Aber dann lief alles wie von selbst, wie ferngesteuert. Hab mich zu meiner Leihwagenfirma kutschieren lassen, und jetzt sitze ich in einem schicken Porsche Panamera, der mich gerade mit 170 Sachen direkt in meine Vergangenheit befördert. Allein die gelben Wegweiser. Boblitz, Lübbenau … der Spreewald. Ist das zu fassen? Ich hab Feulenitz und das alles vor so langer Zeit hinter mir gelassen. Und jetzt gurke ich völlig kopflos in einer Gegend herum, in der mich nichts erwartet als ein altes, baufälliges Haus, das Fließ und Gurken. 700 Kilometer von meinem Schreibtisch entfernt. Bin ich meschugge geworden? Was will ich hier?

9:40. Regionalexpress in Richtung Cottbus
    Regionalexpress – was für eine Tortur! Es stinkt nach Erbrochenem (Dorfpartymäuse der letzten Nacht), Urin (defektes Klo) und süßlichem Frauenparfüm. Während die Verursacher der ersten beiden Müffelherde nicht anwesend zu sein scheinen, ist der Ursprung der dritten Ingredienz eindeutig zu lokalisieren: eine Frauengruppe vor mir. Die Flasche Sekt, die sie sich innerhalb der letzten halben Stunde hinter die Binde gekippt haben, sorgt dafür, dass jetzt auch wirklich jeder Reisende in diesem Regionalexpress über das kleinste Detail einer Krampfaderentfernung bestens informiert ist. Ich kam kaum durch, weil viele Frauen viel Gepäck brauchen. Habe mich also auf meinem Weg zur Toilette (vergebens, weil eben defekt) über Berge von geschmacklosen Koffern gequält. Und höre jetzt den Quallen zu, wie sie mit schrillen Stimmen und unter dem Klirren von Sektgläsern über Quappen reden. Wegen solcher Leute sollte man über ein Alkoholverbot im Bahnverkehr nachdenken. Ihren Ausführungen zufolge sind Quappen-in-Aspik anscheinend irgendeine Spreewald-Spezialität. Würg. Wenigstens hab ich jetzt keinen Appetit mehr. Muss echt dringend auf Toilette! Und bin außerdem saumüde, mit leichtem Kater, hab,
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