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Land des Todes

Land des Todes

Titel: Land des Todes
Autoren: Alison Croggon
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Letztlich fand ich meine Zunge wieder. »Haben Sie gehört, was ich gesagt habe, Sie Hund? Ihr Master wird davon erfahren!«
    »Und wen bitte nennen Sie einen Hund?« Die Belustigung war völlig aus seinem Blick gewichen, und ich begann, mich vor ihm zu fürchten. Einige Atemzüge lang musterte er mich unverwandt.
    »Nun gut, ich nehme an«, meinte er schließlich, »ein Narr zu sein stellt keine tödliche Beleidigung dar, auch wenn es eigentlich so sein sollte. Ich vermute, Sie sind mein Pächter; geistlos genug dafür sehen Sie jedenfalls aus. Ich hatte weder das Verlangen, noch war es nötig, Sie kennenzulernen, und ich wünschte, Sie würden heimkehren. Leider ist das derzeit unmöglich, weil sich dieser Sturm nicht vor dem Ende der Nacht verziehen wird. Aber da Sie gekommen sind, um mir die Ehre zu erweisen, halte ich es für wenig ratsam, mir Schimpfwörter an den Kopf zu werfen.«
    Dieser Mann, den ich für einen ungehobelten Diener gehalten hatte, war also der Herr Damek persönlich, mein Verpächter! Oder handelte es sich um einen garstigen Scherz?Was tat der Herr des Hauses in der Küche, gekleidet wie ein Bauer? Ich sah davon ab, mit ihm zu streiten; vor meinem inneren Auge zog unvermittelt das unbehagliche Bild der zahlreichen Steinhaufen vorüber, die ich während meines Spaziergangs gesehen hatte.
    Ich stammelte eine Entschuldigung, doch der Mann bedachte mich nur mit einem verächtlichen Blick und forderte mich auf, mich vom Boden zu erheben. Er kehrte zum Tisch zurück, wo er eine Büchse gereinigt hatte, bevor ich ihn dabei unterbrochen hatte, und schenkte mir keinerlei weitere Beachtung. Zittrig stand ich auf und suchte mir einen Sitzplatz, so weit wie möglich von meinem Gastgeber entfernt, aber nah genug am Feuer, um mich zu trocknen. Ich säuberte meine Wunden, die arg schmerzten, und bereute meine übereilte Entscheidung von diesem Morgen bitterlich. Darob beschloss ich, künftig auf Anna zu hören; es versprach, eine lange, unbehagliche und wenig unterhaltsame Nacht zu werden.
III
    Meine Ahnung wurde nicht enttäuscht.
    Auch nachdem mir unangenehm heiß wurde, blieb ich am Feuer sitzen, wagte nicht, mich zu bewegen, lauschte dem Unwetter draußen und warf verstohlene Blicke zu meinem mürrischen Gastgeber und durch die Küche. Es war ein großer Raum und einst unverkennbar das Herz eines wohlhabenden, soliden Heims: Aber alles, von den gesprungenen Tellern, die sich lieblos auf einer Anrichte stapelten, bis hin zu den dreckigen Fenstern und Wänden und den Traufen voller Spinnweben, zeugte von Vernachlässigung. Den Eindruck wurde durch die rauchende Öllampe, die den Großteil des Raums in Schatten tauchte, noch verstärkt. Die einzige andere Beleuchtung stammte vom Kamin, der ein höllisch rotes Licht ausstrahlte.
    Ab und an unternahm ich unruhig den Versuch, eine Unterhaltung zu beginnen, was mein Gastgeber entweder ignorierte oder mit einem Grunzen quittierte. Er reinigte seine Büchse zu Ende, ölte sie, baute sie wieder zusammen, verstaute sie in einem an der Wand hängenden Gestell und entnahm daraus eine andere. Dabei sah er mich an.
    »Sie können sich ruhig ein wenig nützlich machen und ein Holzscheit ins Feuer legen«, schlug er vor.
    Wieder war ich verblüfft von seiner Unhöflichkeit, wagte jedoch nicht, ihm zu widersprechen, und tat, wie mir geheißen. Da öffnete sich eine von mir bislang unbemerkte Tür am gegenüberliegenden Ende der Küche, und eine junge Frau trat ein. Das Letzte, was ich in diesem Haus zu sehen erwartete, war ein weibliches Geschöpf. Etwas verwirrt sprang ich auf die Beine und verneigte mich.
    Auf Anhieb fiel mir auf, dass es sich um eine ausgesprochen hübsche Frau handelte. Sie besaß langes schwarzes Haar, schmutzig und ungekämmt zwar, aber dicht; große braune Augen in einem blassen, zierlichen Gesicht; und einen vollen, weichen Mund. Allerdings wurde ihre äußere Erscheinung von ihrem schlampigen Kleid und ihrer sauertöpfischen, trotzigen Miene beeinträchtigt. Sie schrak zusammen, als sie mich erblickte, dann entlockten ihr meine Verbeugung und meine gestammelte Begrüßung lediglich ein spöttisches Lächeln.
    »Sei höflich zu unserem Gast, Lina«, ergriff mein Gastgeber das Wort. Er klang belustigt. »Du musst deine schlechte Erziehung ja nicht so offenkundig zur Schau stellen. Das ist Herr Hammel aus der Stadt, der derzeit im Roten Haus wohnt.«
    Lina drehte sich um und bedachte Damek mit dem wohl hasserfülltesten Blick, den ich je in einem
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