Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Land des Todes

Land des Todes

Titel: Land des Todes
Autoren: Alison Croggon
Vom Netzwerk:
Feuer. Jegliches Zeitgefühl war mir entglitten, doch mittlerweile herrschte draußen Dunkelheit, deshalb schätzte ich, es war früher Abend. Der Sturm, der das häusliche Knistern des Feuers übertönte, zeigte keinerlei Anzeichen, sich legen zu wollen. Mein Spaziergang, die aufeinanderfolgenden Schrecken des Tages und die Hitze in der Küche verschworen sich miteinander, um mich schläfrig zu machen, und ich ertappte mich dabei, einzunicken. Ich fragte mich, wohin ich mich betten sollte, wenn ich die Nacht hier verbringen musste, was unausweichlich zu sein schien.
    Etwa eine Stunde hatte ich so verbracht, als draußen der Hund anschlug. Ich überlegte gerade, welcher andere Reisende das Pech haben mochte, in diesem verfluchten Haus nach Beistand zu suchen, als sich die Tür öffnete und für kurze Zeit einen mit Hagel und Regen vermischten Windstoß hereinließ, der beinah die Lampe ausblies. Ebenfalls herein kam ein von Alter und Rheumatismus so geplagter Mann, dass er schwer gebeugt lief und dabei den Hund verfluchte. Er trug schwere Gewänder, und von seinem Mantel strömte Wasser auf die Bodenplatten.
    Der Mann besaß eines der unangenehmsten Gesichter, die ich je gesehen hatte: All seine Züge schienen zu einem lippenlosen Mund zusammenzulaufen, der sich als schmale Linieabzeichnete, die unzählige Jahre Verbitterung, Arg und Neid ausdrückten. Die Augen lagen dicht beisammen, als wollten sie über seiner Nase Ränke schmieden. Hellblaue Netzhäute trieben in einem Geflecht von Blutgefäßen, während die Nase so rot war, dass sie schon purpurn wirkte. Später sollte ich herausfinden, dass dies mehr von seinen Trinkgewohnheiten denn von der Kälte herrührte.
    »Eines Tages erschieße ich diese verdammte Töle«, raunte der Alte. »Bei den Göttern, ich schwör’s, ich knüpfe sie auf …«
    Da erblickte er mich, verstummte jäh und drehte sich mit einer wortlosen Frage im Gesicht Damek zu.
    »Mein Pächter, Hammel«, erklärte Damek gleichgültig. »Hammel, das ist mein Leibdiener Kush.«
    Kush bedachte mich mit einem mürrischen Blick und fuhr mit seinem Geschimpfe fort, während er seine triefnassen Gewänder ablegte und sich nah zum Feuer begab. »Ich hab Ihnen ja gesagt, dass ein Unwetter kommt, Master Damek. Aber haben Sie auf mich gehört? Hat es Sie gekümmert? Sie doch nicht. Ich hätte in alle vier Winde verweht oder von einem Blitz geröstet werden können. Da draußen herrscht eine Nacht, die man weder Mensch noch Tier zumuten sollte. Aber nein, Ihnen passt es ja nur, wenn …«
    »Hör mit dem Gewinsel auf, Mann«, fiel Damek ihm unwirsch ins Wort. »Jetzt bist du ja zu Hause. Hast du den König gesehen?«
    Der alte Mann fasste in seine Brusttasche und warf einen prall gefüllten Lederbeutel auf den Tisch. »Da. Werden Sie glücklich damit.«
    Mich erschreckte der Ausdruck von Lust, der über Dameks Züge huschte. Er ließ den Beutel so schnell in seiner Tasche verschwinden, dass ich die Bewegung kaum wahrnahm. Dann wurde ihm plötzlich bewusst, dass ich ihn beobachtete, und er schleuderte mir einen feindseligen Blick zu. Rasch senkte ich den Kopf; ich verspürte nicht den geringsten Wunsch zuerfahren, welchen ruchlosen Geschäften er nachging. Unser Neuankömmling musterte mich argwöhnisch von der Seite, dann nahm er sich den Rest der Suppe, den er mit widerlichen Schlürf- und Schmatzlauten aß.
    Mittlerweile war ich meiner Lage durch und durch überdrüssig. Noch nie in meinem Leben wollte ich einen Ort so inständig verlassen wie diesen; hätte der Regen nur ein wenig nachgelassen, ich wäre vermutlich das Wagnis eingegangen, mich in der Dunkelheit zu verirren, nur um diesem schrecklichen Haus zu entfliehen. Schließlich teilte ich meinem Gastgeber mit, dass ich zu schlafen wünschte. Gereizt befahl er Kush, mich in ein Zimmer zu bringen. Der alte Mann zündete eine Kerze an und führte mich erst einen unbeleuchteten Gang hinab, dann eine enge Treppe hinauf, wobei er ohne Unterlass vor sich hinbrummte. Auf einem Flur öffnete er eine Tür zu einem Zimmer mit einem schmalen Bett, einem Waschtisch samt schimmelbefallenem Spiegel und einem Schrank. Die Luft im Raum erwies sich als muffig, als wäre er seit Jahren nicht mehr gelüftet worden, und es roch eindringlich nach Moder. Zudem herrschte in der Kammer eine klirrende Kälte. Kush wollte mich im Stockfinsteren zurücklassen, doch ich verwickelte ihn in eine langwierige Diskussion und bestand darauf, dass die Kerze bei mir zu verbleiben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher