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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
Autoren: Ilona Andrews
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hörte sich nicht wie ein Kinderschänder an, aber Kinderschänder hörten sich leider nie wie Kinderschänder an. Die klangen immer wie nette, gesetzestreue Kirchgänger aus der Nachbarschaft. Und konnten gut mit Kindern umgehen.
    Georgie sah sie kommen. »Rose, er findet die Actionfiguren auch toll.«
    »Schon klar«, sagte sie. Wenn sie jetzt im Edge gewesen wären, und wenn sie gewusst hätte, wie man die Umwelt mit seiner Macht beeinflusste, hätte ihre Stimme alles im Umkreis von achtzehn Metern zu Eis erstarren lassen. »Und treibt er sich auch gerne bei den Spielsachen rum und quatscht kleine Jungs an?«
    Der Mann drehte sich um. Er sah aus wie Ende zwanzig. Ein kantiges Kinn und ausgeprägte Wangenknochen kennzeichneten sein ansprechendes Gesicht. Keine Spur von Babyspeck, fast hohlwangig, die Nase schmal und gut geschnitten. Sie musterte seine tief liegenden haselnussbraunen Augen. Die Augen überzeugten sie: Sie blickten ehrlich und unverwandt. Also kein Kinderschänder, befand sie, wahrscheinlich bloß ein netter Kerl, der sich mit Kindern in der Spielzeugabteilung unterhielt.
    Er nahm eine Piratenfigur aus dem obersten Regal. »Der hier bewegt sich. Den kannst du hinstellen, wie du willst.« Er gab Georgie das Spielzeug, und die Jungen fielen sofort darüber her. »Sorry«, sagte der Mann. »Ich wollte Sie nicht beunruhigen.«
    »Ich war nicht beunruhigt.« Sie schaltete eine Alarmstufe runter.
    »Mein Fehler.« Er wandte sich wieder den Spielsachen zu.
    Sie stand neben ihm und fühlte sich ein wenig unbehaglich. »Kaufen Sie für sich oder für Ihren Sohn ein?«, erkundigte sie sich, um überhaupt irgendetwas zu sagen.
    »Für mich.«
    »Ah. Sind Sie Sammler? Einer von den Typen, die immer alles original verpackt lassen?« Na super , dachte sie. Anstatt einigermaßen komfortabel aus der Nummer rauszukommen, fragst du diesem Fremden Löcher in den Bauch und beleidigst ihn auch noch.
    Er sah sie an. »Nein, ich packe die Figuren aus und spiele damit. Ich stelle gewaltige Schlachtordnungen auf. Aufgeteilt nach Gewichtsklassen.« Seine Stimme klang ein klein wenig streitlustig.
    »Haben Sie viele Figuren?«, wollte Georgie wissen.
    »Vier Kisten voll.«
    Mach nur so weiter , dachte Rose gehässig, riss sich aber sofort zusammen. Er konnte ja nicht wissen, dass sie nicht genug Geld besaß, um den Jungen Actionfiguren zu kaufen. Er beantwortete nur ihre Fragen. Aber sie musste diese Unterhaltung beenden, die vermaledeiten Schuhe kaufen und nach Hause zurückfahren.
    »Ich warte noch drauf, dass mal jemand eine gute Conan-Figur herstellt, aber auf die Idee ist noch keiner gekommen«, sagte der Mann jetzt. »Ich hab’s aufgegeben. Heute war ich hinter Green Arrow her, aber den führt auch niemand.«
    »Welchen denn?«
    Er warf ihr einen misstrauischen Blick zu. »Den von Hard Traveling Heroes.«
    Rose nickte. Ihre beiden kleinen Brüder hatten sie zu einer Expertin in Sachen Actionfiguren gemacht. »Von DC Direct? Den gibt’s ein Stück weiter bei Parallel Universe , aber der kostet Sie dreißig Schleifen.« Sie hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt. Das war ihr jetzt rausgerutscht.
    Er machte große Augen. »Können Sie mir sagen, wo das ist?«
    »Wir zeigen es Ihnen«, schmiss sich Georgie ran.
    Sie funkelte ihn an.
    »Wir können ihm doch die Comics zeigen, oder, Rose?« Jacks Augen waren riesengroß. »Bitte.«
    Rose musste sich zusammenreißen, um nicht aus der Haut zu fahren.
    »Schon gut«, sagte der Mann. »Ich werde schon hinfinden. Aber danke, dass Sie mir gesagt haben, wo ich fündig werde.«
    Er sah sie an, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank. »Nein, wir zeigen Ihnen den Weg«, hörte Rose sich sagen. »Es ist nur ein Stück die Straße runter, aber man kann nicht gut erklären, wie man da hinkommt. Also los, Jungs!«
    Fünf Minuten später marschierten die vier über den Bürgersteig vor dem Wal-Mart.
    »Noch mal danke«, sagte der Mann. »Ich heiße übrigens William.«
    »Rose«, gab sie zurück und beließ es dabei.
    Die Jungen waren anscheinend hingerissen von William. Vor allem Jack wirkte wie gebannt. Was nicht verwunderlich erschien – schließlich war er zu jung, um sich an ihren Vater zu erinnern, und von ihren männlichen Verwandten verweilte keiner jemals lange genug, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Ein einsames Kind, das von seinem Vater im Stich gelassen wurde, weil der lieber einem Phantomschatz nachjagte. Jack sehnte sich verzweifelt nach
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