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Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Titel: Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
Autoren: Michael Peinkofer
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entbehrungsreichen Leben in der Wildnis, sagten ihm, dass dort im Gebirge etwas vor sich ging. Etwas Dunkles, Unheilvolles, dem der Jäger zutiefst misstraute…
    Mit einer leisen Verwünschung auf den Lippen kehrte Alphart zu dem offenen, aus groben Natursteinen gemauerten Kamin zurück, in dem ein knisterndes Feuer gegen die Kälte der hereinbrechenden Nacht ankämpfte. Über den Flammen hing ein Kessel mit Wasser, das gerade zu sieden begann. Alphart nahm das Gefäß ab und gab getrocknete Brennnesseln hinein, die er in einem Mörser zerstoßen hatte. Sofort erfüllte säuerlicher Duft die kleine Hütte. Unter Wildfängern galt das Getränk als altes Hausmittel, um die Kälte des Winters aus den Knochen zu vertreiben. Bannhart würde es zu schätzen wissen, wenn er von der Jagd zurückkehrte.
    Erneut trat Alphart ans Fenster und starrte hinaus. Wo sein Bruder nur blieb?
    Schon vor Stunden war er ausgezogen, um nach den Fallen zu sehen, die sie im Wald ausgelegt hatten. Das war, womit die beiden Brüder ihren Lebensunterhalt verdienten: Sie waren Wildfänger – Jäger und Fallensteller, die den Sommer in den Bergen verbrachten und erst im Herbst wieder hinunter ins Tal stiegen, um die Ausbeute der vergangenen Monate zu verkaufen. Die Geschäfte gingen gut, denn Felle und Häute wurden überall in Allagáin benötigt. Wärmendes Bärenfell war bei den hohen Herren und Damen gefragt, während sich Wolfsfell seiner Strapazierfähigkeit wegen bei Söldnern und Soldaten großer Beliebtheit erfreute. Hirschhäute wiederum wurden verwendet, um Handschuhe und Stiefel zu fertigen, die geschmeidiger waren als solche aus Rindsleder, und es wurde gut dafür bezahlt. Erst vor wenigen Tagen hatten die Brüder einen Reißhirsch erlegt, dessen Haut allein genug einbringen würde, um sie über den Winter zu bringen.
    Überhaupt war es ein gutes Jahr gewesen für die Jagd. So viele Tiere wie nie zuvor waren ihnen in die Fallen gegangen, und sie hatten auch zahlreiche Hirsche erlegt. Hatten sie sich in früheren Jahren oft tagelang auf die Pirsch begeben müssen, war das Wild diesmal zu ihnen gekommen. Gerade so, als hätte etwas die Tiere aus den Wäldern getrieben. Etwas, das von den Gipfeln der Berge kam…
    Alphart nahm einen Schluck von dem frischen Sud und wischte sich mit dem Handrücken über den dunklen Bart. Noch immer war in der schneedurchsetzten Dämmerung keine Spur von seinem Bruder zu sehen, wenn er aus dem Fenster schaute, und der Wildfänger begann sich Sorgen zu machen.
    Ob Bannhart etwas zugestoßen war?
    Alphart war weder übertrieben vorsichtig noch abergläubisch. Er fürchtete sich nicht, wenn es blitzte, und auch wenn sich grollender Donner über den Bergen entlud und Hänge und Täler erzittern ließ, jagte ihm das keine Furcht ein. In letzter Zeit jedoch hatten sich eigenartige Dinge zugetragen, und der Wildfänger war nicht sicher, ob er begriff, was dort draußen vor sich ging. Er wusste nur, dass sein Bruder nicht zurückgekehrt war. Andererseits war Bannhart erfahren genug, um selbst auf sich aufzupassen.
    Alles, was Alphart über das Jagen wusste, hatte er von seinem älteren Bruder gelernt. Bannhart hatte ihm beigebracht, wie man Fährten las und Fallen stellte, wie man den Pfeil treffsicher ins Ziel lenkte und das erlegte Wild ausweidete. Er kannte jeden Stein und jeden Strauch, jede Felsspalte und jede Klamm, sodass es eigentlich keinen Grund gab, sich zu sorgen.
    Dennoch spürte Alphart in sich wachsende Unruhe – als wäre sein Bruder in Not und bräuchte seine Hilfe.
    Wieder schaute er hinaus in die Dämmerung.
    Noch immer nichts.
    Inzwischen war es draußen fast dunkel geworden. Der nahe Wald war nur noch als dunkles Band auszumachen, der frisch gefallene Schnee leuchtete matt im letzten Tageslicht.
    Plötzlich war das Heulen eines Wolfs zu hören.
    Alphart fuhr zusammen.
    Der Laut war ganz in der Nähe aufgeklungen, und wo sich ein Wolf herumtrieb, da waren gewöhnlich mehrere. Der frühe Winter trieb die Graupelze aus den Wäldern. Was, wenn Bannhart in ihre Fänge geraten war?
    Noch einen Augenblick zögerte Alphart. Als erneut ein Heulen erklang, noch lauter und schrecklicher als zuvor, konnte den Jäger nichts mehr halten. Entschlossen stürzte er den Rest des Kräutersuds hinab, dann griff er nach dem Umhang aus Bärenfell und warf ihn sich über den grünen Jagdrock, an dessen Gürtel der lange Hirschfänger baumelte. Indem er Bogen und Köcher vom Haken riss, eilte der Jäger auch
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