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Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond

Titel: Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
Autoren: Michael Peinkofer
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Flusses lagerte, nicht Beweis genug für ihre feindlichen Absichten?
    »Zweifel?«, fragte plötzlich eine leise Stimme hinter ihm.
    Mit einer Verwünschung auf den Lippen fuhr Barand herum und griff nach seinem Schwert. Er ließ es jedoch stecken, als er in die Züge Eolacs des Sehers blickte.
    »Du?«, fragte er verblüfft.
    »Wie Ihr seht, hoher Herr.« Der Seher verbog seine magere Gestalt unterwürfig.
    »Was tust du hier?«
    »Der Fürstregent bat mich in seiner Weisheit, den Feldzug zu begleiten.«
    »Er hat dich darum gebeten?« Barand hob die Brauen. »Ist es nicht vielmehr so, dass du mit deinem letzten Auftritt vor dem Fürstenrat in Ungnade gefallen bist? Und dass du mit deinem Hiersein hoffst, Klaigons Wohlwollen zurückzugewinnen?«
    »Wie auch immer, hoher Herr.« Das verlegene Lächeln, das um die schmalen Lippen des Sehers spielte, verriet alles. »Ich bin hier, um Euch mit meinem Rat beizustehen.«
    »Mit deinem Rat? Verstehst du denn etwas von der Kriegskunst?«
    »Nein, hoher Herr«, räumte Eolac ein, »aber ich verstehe etwas von Menschen. In Gesichtern vermag ich beinahe so gut zu lesen wie in den Runen – und Euer Gesicht sagt mir, dass Ihr Zweifel hegt.«
    »Unsinn!«, sagte Barand barsch.
    »Seid Ihr sicher, Herr? Schon mancher große Held hat in der Nacht vor der Schlacht gezweifelt. So vieles gibt es, woran Sterbliche zweifeln können. An ihrer Stärke. An ihrem Auftrag. An ihrer Bestimmung…«
    »Ich hege keine Zweifel«, behauptete Barand. »Meine Bestimmung ist es, bei Tagesanbruch den Fluss zu überschreiten und das Heer des Feindes zu vernichten, ehe es uns vernichten kann. Aber vielleicht kannst du mir verraten, weshalb du nicht vorausgesehen hast, in welcher Stärke der Feind erscheinen wird.«
    »Was soll ich dazu sagen, Herr?« Eolac zuckte mit den schmalen Schultern. »Auch die Runen verraten nicht alles.«
    »Hast du Klaigon nicht gesagt, dass das Waldvolk uneins wäre und unter sich zerstritten? Dass wir es allenfalls mit einigen Clans zu tun bekommen, keinesfalls aber mit einer großen Streitmacht?«
    »Nun, ich…«
    »Wie es aussieht, haben sich die Barbaren erstmals seit Ende des Krieges wieder unter einem Banner vereinigt – eine Entwicklung, die Anlass zur Beunruhigung gibt.«
    »Also hatte ich recht, Ihr hegt tatsächlich Zweifel – nämlich an unserem Sieg…«
    »Ich bin der Marschall«, erwiderte Barand, »mir obliegt es, das Heer zu führen und dafür zu sorgen, dass kein Waldbarbar diesen Fluss überschreitet. Aber um meine Aufgabe erfüllen zu können, brauche ich Vorhersagen, auf die ich mich verlassen kann. Davon, dass der Feind in solcher Stärke aufmarschieren würde, hast du nichts gesagt. Und auch nichts von diesem verdammten Schnee.«
    »Das Wetter gereicht Euch nur zum Vorteil, hoher Herr. Je dichter das Schneetreiben ist, desto weniger werden die Pfeile des Feindes ihr Ziel finden. Das Eis sorgt dafür, dass Eure Reiterei den Fluss ungehindert überqueren kann, und der Schnee hemmt die Schritte der Barbaren, während Eure Reiter darüber hinwegsetzen.«
    Das stimmte zweifellos – der Seher schien mehr von Kriegsdingen zu verstehen, als er zugeben wollte. Dennoch wollten die Zweifel nicht weichen, und als könnte Eolac dies spüren, fügte er hinzu: »Es ist ein gerechter Krieg, Herr. Zweifelt nicht an Eurem Auftrag und nicht an Eurem Sieg. Die Runen haben großen Triumph für Euch vorausgesagt. Ihr werdet als Held gefeiert werden.«
    Ein Lächeln huschte über Barands Züge. Der Gedanke, als umjubelter Feldherr nach Iónador zurückzukehren, gefiel ihm. Sicher würde sich Rionna ihm dann nicht länger verweigern…
    »Ich weiß, was Ihr denkt«, sagte Eolac.
    »So? Was denke ich denn?«
    »Ihr denkt an sie«, eröffnete der Seher. »An die Nichte des Fürstregenten.«
    »Schweig!«, zischte Barand, aus Sorge, die Wachen, die um sein Zelt postiert waren, könnten sie hören.
    »Ich weiß um Eure Schwäche für die Prinzessin, und Ihr könnt mir glauben, dass ich nicht der Einzige bin. Euer Ansinnen, sie zu Eurer Frau zu machen, ist in Iónador wohlbekannt.«
    Barand musterte den Seher missmutig, dann fragte er mit leiser Stimme: »Wirklich?«
    »Jedermann weiß, dass sie Euren Antrag ablehnte. Dass Sie Euch nicht will, weil sie Euch nicht liebt.«
    »Schweig, du…«, fauchte Barand und griff erneut zur Waffe.
    »Hinter Eurem Rücken lacht man über Euch, Fürst Barand von Falkenstein«, fuhr der Seher unbarmherzig fort, »aber es liegt in Eurer Hand,
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