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Lamarchos

Lamarchos

Titel: Lamarchos
Autoren: Jo Clayton
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im Wohnwagen schien sich an ihr festzupressen, war heiß, stickig, verbraucht. Sie blinzelte wiederholt und schob ihre Hände durch ihr verschwitztes Haar. „Halten wir hier an?”
    „Nein. Aber du hast soviel Lärm gemacht…”
    „Oh.” Sie taumelte auf ihre Füße. „Laß mich eine Weile lenken.
    Ich muß meinen Kopf klarbekommen.” Sie drängte sich unbeholfen durch die Planen, schwang den Sitz herum und ließ sich darauf fallen.
    Sobald sie saß, sah sie sich zu dem Wagen um, der hinter ihnen stehengeblieben war. Stavver schien ebenfalls halb eingeschlafen zu sein, sein langer, hagerer Körper beugte sich nach vorn, über die Zügel, folgte kommentarlos ihrer Führung.
    Sie seufzte und lehnte sich gegen die altersglatten Latten, registrierte dankbar den flüchtigen Lufthauch, der über ihr Gesicht fächelte. „Was ist mit Maissa?” Träge sah sie zu, wie Kale seine Beine ausstreckte und sich zurücklehnte. „Hatte sie keinen Einwand, weil wir anhielten?”
    Kale gähnte. „Wahrscheinlich schläft sie. Sie steht unter Drogen.”
    „Oh.”
    „Besser, du fährst los.” Kale verschränkte seine Arme vor der Brust und warf ihr einen schmierigen Blick zu. „Wovon hast du geträumt?” Als sie die Pferde zu einem steten Trott antrieb, starrte er sie noch immer an, dunkle Augen funkelten vor Neugier. „Zum Schluß hast du gezählt. Laut genug, um die Toten aufzuwecken.”
    „Die Toten.” Aleytys schluckte schmerzhaft. „Eine gute Wortwahl.
    Ich habe die Gespenster gezählt, die ich hinter mir herziehe.”
    Sein Gesicht erbleichte, und ein Frösteln durchrieselte seinen Körper. Mit einer plötzlichen, raschen Handbewegung berührte er Augen, Nase, Mund mit dem auf den Zeigefinger gepreßten Mittelfinger. „Den Nachtmahr reiten. Unglück, wenn die Sonne noch hoch steht.”
    Aleytys lachte rauh und schüttelte die noch verbliebenen Strähnen der Träume ab. „Jederzeit Unglück, Kale, für jeden, der sie erduldet.
    Armer Miks. Er hatte ein dutzendmal mit meinen Träumen zu tun.
    Ahai, ich wollte, ich könnte vergessen …”
    Die Lider über bleierne Augen gesenkt, verfiel sie im Verlauf der Stunden in den Rhythmus der Fahrt.
    Die Sonne schien beinahe flach in ihre Augen, als der Treckwagen einen sanften Hang hinaufrumpelte. Schwarze Flecken, die vor ihr vor den Farbstreifen kreisten, zogen ihre Aufmerksamkeit an.
    „Kale?”
    Sein Schnarchen brach unvermittelt ab, zögernd wachte er auf. „Was ist los?”
    „Diese Vögel.” Sie zeigte hinauf. „Was machen sie?”
    Er schaute trübe an ihrem Arm entlang. „Ah. Ich sehe sie. Aasvögel.
    Sie warten, daß etwas stirbt.”
    „Das habe ich auch gedacht.” Als sich die Pferde stetig weiter auf die schwebenden Vögel zubewegten, sagte sie scharf: „Lebt es noch?”
    „Solange sie da oben bleiben.”
    Der Wohnwagen neigte sich hangabwärts, dann bog er um eine sandige Erhebung, die mit spärlichen, staubigen Grasbüscheln bewachsen war. Nicht weit voraus stand ein knochiger Klepper am Stra
    ßenrand, über den Flanken zuckten Muskeln, der Schädel war gesenkt; vorsichtig, mit wundem Maul, fraß er von dem festen, zähen Gras, das die mit dem Gesicht nach unten liegende Gestalt halb verdeckte.
    Aleytys zog sich auf die Füße hoch, hielt sich mit ihrer freien Hand an der mit Schnitzwerk verzierten Wand des Wohnwagens fest, um sich abzustützen. „Das ist ein Mann!” Sie ließ die Zügel fallen, war im Begriff abzuspringen.
    „Warte.” Kaie ergriff ihren Arm und zog sie zurück. „Laß mich sehen.”
    Sie runzelte die Stirn. „Ahai, Kale. Ich bin keine zerbrechliche Blume.”
    „Aleytys”, sagte er geduldig, „dies ist meine Welt.”
    Sie sah ihn eine Minute lang stumm an und setzte sich dann auf den Rand des Sitzes; sie hielt die Pferde neben dem abgezehrten Klepper an. Noch immer stumm, sah sie zu, wie er sich hinunter- l schwang und zu der liegenden Gestalt schritt.
    Er blieb plötzlich stehen, starrte eine Minute genau hin, dann ging er rasch zurück. Ohne eine überflüssige Bewegung zog er sich auf den Sitz. „Los, fahr weiter.”
    Sie sah nach der über ihnen kreisenden Wolke der Aasvögel. „Lebt er noch? Oder halten wir sie von ihrem Festmahl ab?”
    „Vergiß es, Fahr weiter.”
    „Nein. Antworte mir. Ist er tot?”
    „Ja, Fahr los.”
    Sie schüttelte ihren Kopf. „Du kannst mich nicht belügen, Kale. Er lebt.”
    „Also gut”, sagte er ungeduldig. „Dann lebt er also. Allerdings nicht mehr lange. Besser für ihn, wenn er
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