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Lady Lavinias Liebestraum

Lady Lavinias Liebestraum

Titel: Lady Lavinias Liebestraum
Autoren: Mary Nichols
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zu argwöhnisch. Wenn Lady Grahams Halskette nicht unecht gewesen wäre, hätte ich meine Schulden in Cumberland bezahlt und wäre die perfekte Partie für dich gewesen. Die gute Frau hatte ja nicht einmal bemerkt, wie ich ihr die Kette abnahm – im Gegensatz zu Lady Willoughby, deren Anhänglichkeit mich fast den Hals gekostet hätte, als sie sich mit ihrem ganzen Gewicht an dem Turban festklammerte. Auch Lady Rattenshaw hat mir das Leben schwer zu machen versucht. Doch es gelang ihr nicht, ich habe sie beizeiten durchschaut …”
    Obgleich die Worte sie irgendwie beunruhigten, vermochte sie den Sinn noch nicht ganz zu verstehen. Sie merkte nur, dass die Kutsche langsamer wurde, bis sie fast stehen blieb und Hunderte von lauten Stimmen um sie herum zu vernehmen waren.
    “Sie denken, du bist die Königin, und wollen dir huldigen.”
    “Sie sind dumm. Ihre Majestät ist doch …” Lavinia schüttelte den Kopf, in der Hoffnung, wieder klar denken zu können. Als eine Traube von Menschen sich gegen die Chaise drängte und diese ins Wanken geriet, war Lavinia schließlich hellwach. Sie sah sich neben Lord Wincote in der Familienkutsche sitzen, und sie trug noch immer ihr Theaterkostüm.
    “Schlaf weiter”, murmelte er.
    Lavinia starrte ins Leere. Was war geschehen? Hatte James nicht versucht, sie aufzuhalten? Warum hat er mich gehen lassen?, ging es ihr durch den Kopf. Sie erinnerte sich daran, Tom Bagshott, der auf dem Kutschbock saß, befohlen zu haben, die Karosse sofort in Bewegung zu setzen. Warum sie dies getan und Wincote keinen Widerstand geleistet hatte, konnte sie sich nur so erklären, dass dieser sie hypnotisiert haben musste. Ihre Gedanken wurden jäh unterbrochen von dem Gebrüll des Mobs, der, meistenteils angetrunken, allmählich die Geduld verlor und endlich die Königin sehen wollte. Um freie Fahrt zu bekommen, hatte Wincote nämlich der Menge, die vor Stanmore House die Straße verstopfte, zugerufen, Ihre Majestät sitze in der Kutsche und es gehe um Leben und Tod. Hatte dieser Trick anfänglich tatsächlich geholfen, wichen doch die Leute ehrfürchtig zur Seite, war er ihm nunmehr zum Verhängnis geworden. Die Chaise stand still, und man rüttelte bedenklich an ihr. Natürlich schenkten die Leute ihm nun keinen Glauben, als er ihnen zu beteuern versuchte, die Königin befinde sich nicht darinnen. Von Minute zu Minute wurde Wincote unruhiger, bis er sich entschloss, das Gefährt so schnell wie möglich zu verlassen.
    Indessen hatten James und Major Greenaway die Verfolgung aufgenommen. Sie kamen ähnlich schwer voran wie die Flüchtigen, bis sie am St. James Square gänzlich ins Stocken gerieten, da eine Kutsche vor ihnen von Menschen umzingelt wurde.
    Ihnen war sofort klar, dass es sich um die Loscoe’sche Karosse handelte, und aus Verzweiflung peitschte James auf seine Pferde ein, dass diese augenblicklich und trotz der Massen vor ihnen zum Galopp ansetzten. In der Tat zeigte ihre Geschwindigkeit Wirkung: Die Leute sprangen verschreckt zur Seite, sodass James im Handumdrehen am Ziel war. Zu seinem Unglück sah er sich außerstande, die verängstigten Pferde wieder zu beruhigen, und fuhr in einem Höllentempo an der Chaise vorüber. Trotz der Geschwindigkeit sah er Lavinia mit weit aufgerissenen Augen aus dem Fenster schauen, ihre verzweifelten Zurufe konnte er allerdings nicht mehr hören.
    Wincote lachte sardonisch, als der Phaeton vorbeigefahren war. “Du scheinst ihm gleichgültig zu sein, sonst wäre er stehen geblieben. Obendrein hat er uns den Weg frei gemacht, wofür ich ihm ausgesprochen dankbar bin. Nun musst du wohl mit mir vorliebnehmen, meine Teure.”
    “Niemals! Er wird zurückkommen.” Hastig lehnte Lavinia sich zu dem kleinen Fenster vor und klopfte vehement dagegen. “Tom, fahr keinen Meter weiter!”
    Außer sich vor Zorn stieg Wincote aus und schwang sich auf den Kutschbock, während Lavinia die Gelegenheit, ohne zu zögern, nutzte und hastig aus dem Gefährt hinauskletterte. Wincote sah gerade noch, wie sie sich entfernte, ließ von Tom, der ihm energisch Widerstand leistete, ab und sprang laut fluchend auf die Straße. Er war so außer sich, als er ihr nacheilte, dass er den Phaeton nicht bemerkte, der sich ihm linker Hand in ungeheurem Tempo näherte. James, der neben Greenaway saß und kutschierte und sich vor Angst um Lavinia verzehrte, sah ihn zu spät und konnte nicht mehr verhindern, dass seine Pferde den Mann überrannten. Regungslos blieb der Verunglückte am
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