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Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen

Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen

Titel: Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
Autoren: Jutta Ahrens
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selbst suchen?«
    »Indem man von sich selbst Abstand gewinnt und sich aus der Ferne betrachtet wie einen Fremden. Durch die Suche warst du gezwungen, den Tempel zu verlassen, dich unter gewöhnliche Menschen zu begeben. Du wurdest in Abenteuer verwickelt, die dir im Schutze des Tempels nie begegnet wären. Durch diese Erlebnisse wurdest du reifer, einsichtiger, menschlicher. Haben die Erlebnisse einen anderen Menschen aus dir gemacht? Nein. Sie haben nur geweckt, was schon immer in dir war. Um das, was in deinem Inneren verborgen war, zu finden und dir sichtbar zu machen, habe ich dich auf die Reise geschickt.«
    Jaryn schwieg betroffen. Anamarna hatte es mit wenigen Worten verstanden, seinen Groll zum Verschwinden zu bringen. Er begriff sofort die tiefe Wahrheit. Ganz so, wie Anamarna es gesagt hatte, war es ja geschehen.
    »Warum war diese Selbstfindung notwendig? Weil ich Dorons Sohn bin?«, fragte er nach einigem Zögern.
    Anamarna nickte. »Weil der Fluch gebrochen werden musste, der nun schon jahrhundertelang dafür sorgt, dass Jawendor von schlechten Königen regiert wird.«
    »Du nennst Doron einen schlechten König?«, fragte Jaryn bestürzt.
    »Ich spreche aus, was viele wissen und noch mehr denken. Gewisse Kreise gewinnen bei schlechter Herrschaft, andere sind Mitläufer und schweigen, die meisten jedoch leiden unter ihr. Sie werden geknechtet, damit eine dünne Oberschicht prassen kann.«
    Jaryn spürte, dass der Vorwurf auch an ihn gerichtet war. Er war aufgewachsen in der Gewissheit, dass jene, die geknechtet wurden, als Knechte geboren waren. Und dass es wenige auserwählte Menschen gab, denen es zukam, in Wohlstand zu leben, weil sie als Edle geboren waren; die in Palästen wohnten, wie diesem hier, oder in prächtigen Tempeln, umgeben von Dienerscharen, weil es ihnen nicht zuzumuten war, selbst zu arbeiten. War alles falsch gewesen, was er in zehn Jahren bei den Sonnenpriestern gelernt hatte?
    Es musste wohl falsch gewesen sein, denn heute dachte er anders. Das war es also, was Anamarna gemeint hatte, und Jaryn konnte nichts Nachteiliges mehr darin erkennen. Er hatte den Weisen unterschätzt, hatte ihm niedrige Beweggründe unterstellt – ihm genauso wie Sagischvar und Suthranna. Er schämte sich, aber für umständliche Beichten war jetzt nicht die Zeit. Er musste mehr erfahren. Denn da gab es etwas, das nicht einmal Anamarna zu wissen schien.
    »Bitte erzählt mir alles von Anfang an. Ich bin verwirrt und finde mich nicht mehr zurecht. Bin ich wirklich Dorons Sohn? Oder hat man mich zum Prinzen ernannt, weil Doron keine Söhne hat?«
    »Du bist sein Sohn, Jaryn. Doch wegen des Fluches war dein Vater einverstanden, dass wir dich bei meinem Bruder Adramas aufwachsen ließen, den du für deinen Großvater gehalten hast.«
    »Adramas?«, wiederholte Jaryn betroffen. »Er war Euer Bruder? Bei Achay, ich bemerkte die Ähnlichkeit, aber …«
    »Ja, er lebte wie ich zurückgezogen, denn wir beide missbilligten, was sich in Margan tat. Es war nicht geplant, dich schon mit zwölf in den Sonnentempel zu schicken, aber leider verstarb mein Bruder zu früh, und Sagischvar bestand darauf, deine Erziehung zu übernehmen. Mit dir, so hofften wir, könnte eine bessere Zeit anbrechen. Zwar hatten Suthranna und ich Bedenken, ob die Kaltherzigkeit der Sonnenpriester deiner Entwicklung zu einem guten Menschen im Wege stehen könnte. Doch Sagischvar überzeugte uns, dass du durch eine harte Schule gehen müsstest. Denn es ist kein Verdienst, im klaren Wasser sauber zu bleiben – erst im Schlamm des Hochmuts erweist sich der edle Charakter, wenn er rein bleibt.«
    »Die Prüfung begann also bereits mit meiner Geburt?«
    »Genau genommen ist es so.«
    »Ich verstehe trotzdem nicht«, gab Jaryn verunsichert zurück. »Euer Bruder Adramas war wirklich kein gestrenger Meister. Er war gütig und …«
    »… und weise«, nickte Anamarna. »Wir waren beide der Meinung, dass ein Kind mit Liebe und Nachsicht aufgezogen werden sollte, und im Nachhinein hat es sich als richtig erwiesen. Die zwölf Jahre bei meinem Bruder haben dir offensichtlich das passende Rüstzeug mitgegeben, um im Sonnentempel zu bestehen.«
    Jaryn nickte nachdenklich. Ihm fiel ein, wie gern er immer an die Zeit mit dem Großvater zurückgedacht hatte, auch wenn es ihm verboten gewesen war.
    »Wir wollten noch deine Weihe abwarten und dich dann außerhalb seiner Mauern prüfen, ob dein Herz wirklich erkaltet wäre. Wir stellten fest, dass dies nicht der
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