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Lackschaden

Lackschaden

Titel: Lackschaden
Autoren: Susanne Fröhlich
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den Häppchen, so als hätte Anita gerade Wasser in Wein verwandelt. Bis auf eine Frau, kenne ich alle. Kein Wunder. Es sind alles Siedlungsfrauen. Frauen, die hier in einem der Reihenhäuser wohnen. Anita übernimmt, nachdem sie noch mal eben erwähnt hat, dass das doch alles null Mühe gemacht hat (pah!), die gegenseitige Vorstellung.
    »Das hier ist die Jacky. Die kennen die meisten von euch wahrscheinlich noch nicht. Jacky und ich sind zusammen beim Yoga«, sie kichert, »also das ist nicht ganz richtig, Jacky ist die Lehrerin, und ich gehe in ihren Kurs.«
    Jacky ist ungefähr 1 , 80 groß und sieht ein bisschen aus wie ein menschlicher Stangensellerie. Groß, sehr schlank und garantiert unglaublich biegsam. Ich bin direkt neidisch. Ich habe mehr Fett an einem einzelnen Unterarm als diese Frau an ihrem gesamten Körper. Gut, rede ich mir selbst zu, ich habe schließlich zwei Kinder, so was geht an keinem Körper spurlos vorbei.
    »Jacky hat vier Kinder und näht ihre komplette Garderobe selbst, und sie macht die tollsten Dinkel-Muffins aller Zeiten«, redet Anita weiter, mit einem Stolz in der Stimme, als hätte sie Jacky höchstpersönlich selbst erschaffen.
    Ich glaube, diese Jacky macht mir, obwohl sie, ehrlich gesagt, nett aussieht, ziemlich schlechte Laune. Ich werfe Tamara, die auch nicht direkt als Gazelle durchgeht, einen Blick zu – und verdrehe leicht die Augen. Dinkel-Muffins!
    Dann werden wir der Wunder-Muffin-Gazelle vorgestellt.
    »Das sind die Andrea, meine Nachbarin, die Tamara, die wohnt vorne an der Ecke, die Kati aus der Sackgasse hinten, die Leonie aus der Achtundneunzig, die Franzi aus der Elf und zu guter Letzt die Paula, unsere gute Seele.«
    Immerhin eine hat es geschafft, nicht nur als Nachbarin oder Hausnummer vorgestellt zu werden. Endlich dürfen wir uns hinsetzen und essen. Kaum haben wir den ersten Bissen im Mund (verdammt lecker!) beginnt Anita mit einer kleinen Ansprache.
    »Also, ich habe für heute was tolles Neues vorbereitet. Sonst geht es ja immer nur um Kinder und so. Ich wollte mal ein bisschen Abwechslung in unsere Runde bringen, und da hat mich die Jacky auf eine Idee gebracht. Wir wählen ein Thema für den Vormittag und über das wird dann geredet.«
    Muss auch noch jemand ein Referat halten? Bevor ich aufmucke, stopfe ich mir schnell ein kleines Croissant in den Mund, fein gefüllt mit winzigen Shrimps und einer phantastischen Kräutersauce. Ich bin tief beeindruckt. Ob sie die echt selbst gemacht hat? Die anderen schnattern wild durcheinander. »Was für ein Thema denn?« »Und wer bestimmt das Thema?« Fragen prasseln auf Anita ein.
    »Halt«, ruft sie entschlossen und hebt den Arm, »ich habe alles geplant. Hier in dieser Schale sind fünf Zettel. Auf jedem steht ein Thema. Eine zieht einen Zettel – und das Thema kommt heute dran. Wir reden dann ausschließlich über das, was auf dem Zettel steht.«
    Die ersten fangen an zu kichern. Ich komme mir ein bisschen vor wie in der Schule. Müssen wir uns auch noch melden? Aber bitte, ich bin ja flexibel und habe eigentlich zu allem was zu sagen.
    Anita holt eine kleine silberne Schale (sehr stilvoll), stellt sie auf die Tischmitte und sagt: »Wer zieht?«
    Tamara schnappt sich die Schale und sagt schlicht: »Ich.«
    »Na dann, walte deines Amtes!«, lacht Anita.
    Tamara wühlt demonstrativ durch die paar Zettelchen, alle ordentlich gefaltet und holt einen aus der Schale.
    »Mach auf! Lies vor!«, wird sie gleich aufgefordert.
    Tamara holt ihre Lesebrille aus der Handtasche, entfaltet das Stückchen Papier und lacht. »Letzter Sex? Hier steht einfach nur letzter Sex, mit einem kleinen Fragezeichen.«
    Soll das jetzt ein Thema sein? Letzter Sex?
    Das könnte in eine Art Gedächtnistraining ausarten, jedenfalls bei mir. Ich brauche sofort Alkohol, geht mir durch den Kopf. Anita kann anscheinend Gedanken lesen.
    »Jemand Prosecco auf den Schreck?«, fragt sie in die erstarrte Runde. Bis auf Jacky sind alle dabei. Ich bin nicht wild auf Prosecco, aber besser als gar kein Alkohol.
    »Also« unterbricht Anita das immer noch andauernde Schweigen, »es geht darum, wann man mit wem den letzten Sex hatte!«
    Sackgassenkati ist die Erste die etwas sagt: »Na ja, Anita, ein bisschen indiskret ist diese Frage aber schon!«
    »Ein bisschen?«, fügt Paula hinzu.
    Ich bin unsicher. Wir haben schon gemeinsam über Hämorrhoiden, Beckenbodenschwäche und Ähnliches gesprochen. Sicherlich auch nicht gerade Themen, über die man sonst
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