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Lackschaden

Lackschaden

Titel: Lackschaden
Autoren: Susanne Fröhlich
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öffentlich spricht.
    Tamara zieht nur die Schultern hoch und guckt in die Runde: »Mann, seid ihr prüde. Wo ist das Problem? Sex gehört zum Leben, ich bitte euch, wir kennen uns doch alle gut.«
    Immer noch Schweigen am Tisch.
    Tamara kommt in Fahrt: »Bei mir war es vorgestern. Nach dem Tatort. Da machen wir es meistens. Emil ist dann im Bett, und dann legen wir los. War diesmal nichts Besonderes. Standard. Bisschen rein – raus. Ihr wisst schon. Aber trotzdem nicht schlecht, eine Sieben etwa. Wir haben da so eine Skala. Zehn ist Wow-Sex mit allem und dann geht es runter auf der Skala bis Null. Hatten wir aber noch nie!«
    Franzi unterbricht sie: »Keine Details bitte.«
    Dabei wäre es genau jetzt erst spannend geworden. Obwohl ich auch ein wenig zurückhaltend bin, wenn es um solche Schilderungen geht. Sex kann interessant sein, vor allem wenn man ihn hat, aber Sexschilderungen von Bekannten sind mir irgendwie peinlich. Aus welchem Grund auch immer – vielleicht auch aus der Angst heraus, dass sie wesentlich aufregendere Dinge treiben als man selbst. Oder dass man ihnen nach den Sexberichten nicht mehr in die Augen gucken kann, weil man sie sich immer in Action vorstellt.
    »Die Nächste bitte!«, fordert uns Anita auf.
    Dass Anita ab und an Sex hat, weiß ich ziemlich genau. Schließlich ist sie meine direkte Nachbarin. Und ihr Mann Friedhelm hört nicht mehr so gut, dementsprechend spricht er etwas lauter. Er ist überhaupt etwas lauter. Eben nicht nur beim Sprechen. Deshalb sind Christoph und ich oft unfreiwillig Zeugen, wenn es bei unseren Nachbarn in die alles entscheidende Runde geht.
    »Ich kann mich nicht erinnern!«, sage ich auf einmal spontan, und es ist mir nicht mal wirklich peinlich. »In diesem Jahr war es jedenfalls nicht«, setze ich noch einen drauf.
    Ein Raunen am Tisch. Aber ich bekomme Unterstützung.
    »Geht mir genauso«, stöhnt Paula, »nach der Geburt von Celine hatten wir nur zweimal Sex und Celine wird in diesem Sommer eingeschult.«
    Uff, ich bin schon mal nicht Letzte auf der Wann-War-Dein-Letzter-Sex-Liste.
    »Zählt jeder Sex?«, will Kati nun wissen. »Oder muss es mit dem eigenen Mann gewesen sein?«
    Ich bin kurz vor der Schnappatmung. Hier tun sich ja Abgründe auf. Ich will nicht despektierlich sein, aber dass Kati sich aushäusig vergnügt, ist schwer vorstellbar. Sie ist mit Sicherheit die größte Spießerin von uns allen. Ich bin garantiert auch nicht frei von Spießertum, aber für Kati wurde dieser Begriff quasi erfunden. Anita versucht sichtlich cool zu bleiben.
    »Jeder Sex, egal mit wem!«, antwortet sie lapidar ohne irgendeine Gemütsregung zu zeigen.
    »Na ja«, beginnt Kati und der Rest lauscht gebannt, »wir sind da eher offen in unserer Ehe, wenn es einen packt, darf man auch mal mit jemand anderem. Wir fragen nicht nach. Jeder, wie er Lust hat.«
    Kati und Siegmar führen also eine offene Beziehung. Das hätte ich im Leben nicht für möglich gehalten. Da hätte ich alles dagegen gewettet. Siegmar, seit Ewigkeiten mit Kati verheiratet, ist ungefähr 170  cm groß, hat schütteres Haar, ein fliehendes Kinn und helle, wässerige Augen. Seine Figur ist, mit viel gutem Willen, als mittelmäßig zu bezeichnen. Leider hat er eher breite Hüften und dafür schmale Schultern. Gut – er ist schlank, wirkt aber untrainiert. Insgesamt ein blasser Mann, der immer irgendwie schwammig aussieht. Im Paarvergleich ist Kati eindeutig die Attraktivere von beiden. Sie ist ungefähr genauso groß wie ihr Mann, aber schmal und mit reichlich Busen. Sie hat ein nettes Gesicht, große Augen (die Augenbrauen müssten dringend mal gezupft werden!) längeres, welliges Haar in dunkelblond (könnten ein paar Strähnchen gut vertragen) und eine etwas schiefe, aber niedliche Stupsnase. Kati ist die typische Jeans-Und-T-Shirt-Vorstadt-Frau: natürlich und sympathisch. Ihre Jeans sitzen eher in der Taille, sie trägt gerne bequeme Schuhe und cremt sich konsequent nur mit Nivea ein. Geschminkt habe ich sie noch nie gesehen. Keiner der beiden, weder Kati noch Siegmar, ist optisch wirklich auffällig, allerdings ist Kati bei näherem Hinsehen durchaus hübsch. So eine Auf-Den-Zweiten-Blick-Hübsche. Aber wo und vor allem mit wem hat Siegmar bloß aushäusigen Sex?
    »Tja, also ich hatte meinen letzten Sex vor etwa einem Monat. Mit wem kann ich euch nicht sagen, aber der Sex war gut. Richtig gut. Heiß. Sehr heiß. Und ziemlich versaut. Ich war extra vorher beim Brazilian Waxing!«, lacht
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