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Lachen mit Tränen in den Augen (German Edition)

Lachen mit Tränen in den Augen (German Edition)

Titel: Lachen mit Tränen in den Augen (German Edition)
Autoren: Lara Myles , Barbara Goldstein
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der Sterne verblasste im Leuchten des Himmels. Das Meer war so ruhig, dass sich die blaugoldenen Wolken darin spiegelten. Die Sonne stieg höher und brachte den Horizont zum Glühen.
    Ein neuer Tag begann. Ein neues Leben?
     
     

     
     
    Ein Flattern ... ein Knistern, wie von Sand ... in der Ferne knattern Schüsse ...
    »Doc?«
    Er wendet sich zur Schwester um. »Yeah?«
    Die Segeltuchwände des OP-Zeltes schwanken im heißen Wüstenwind, der über Benghasi hinweg aufs Meer hinaus weht. Ein NATO-Hubschrauber donnert im Tiefflug über das Zelt hinweg. Ein Rettungsheli? Mit wie vielen Verwundeten an Bord? Die Schwester, wie er in blauer Kleidung, bindet ihm den Mundschutz über der Kappe fest, während er seine schweißnassen Finger in die Latex-Handschuhe schiebt.
    Das Radio übertönt das rhythmische Piepsen und Schnaufen der Geräte und die Unruhe vor der OP. Sein Assistent hat das iPhone an Lautsprecherboxen angeschlossen. »Heavy fighting continues in Libya. The international medical humanitarian organisation Médecins Sans Frontières evacuated its team from cities in the west, following repeated shelling. As the conflict continues, MSF is expanding its assistance in the cities of Misrata and Benghasi and in the camps along the border ...«
    Der Assistent fummelt am iPhone herum. Ruhige klassische Musik erfüllt jetzt das OP-Zelt. Die Schüsse und Explosionen klingen allen im Team viel zu nah.
    »Los geht’s.«
    Die Herzoperation mitten in der Wüste ist ein Risiko. Der schwer verletzte junge Mann auf seinem Tisch ist ein Amerikaner mit Schusswunden in der Brust. Seine Patienten sind so international wie sein OP-Team – nur sein Assistent ist wie er ein Aussie.
    Ein offener Brustkorb, ein blutverschmierter Rippenspreizer, ein stetig pulsierendes Herz. Das Gewebe daneben ist von Kugeln zerfetzt. Aber er wird es schaffen.
    »Wie geht’s Ihrem Kleinen, Doc?«
    Er blickt kurz auf, während er die Fäden zu einem Knoten schlingt. Sie sind gleich fertig. »Kyle? Prima. Ich habe gestern mit ihm geskypt, bis der Generator zusammenbrach und der Strom ausfiel. Er hat gefragt, wann ich endlich nach Hause komme. Schere!«
    Der Faden wird abgeschnitten. »Und was sagt Mummy?«
    Tim schnauft durch die Nase.
    Ein verständnisvolles Lächeln unter dem Mundschutz – sein Assistent war auch nicht zu Hause, als seine kleine Tochter die ersten Schritte machte. Sie waren zusammen in Haiti, um den Erdbebenopfern zu helfen. Er muss sich zu Hause denselben Vorwürfen stellen wie Tim. Und er muss allein mit demselben Gewissenskonflikt fertigwerden. »Als Daddy eines Fünfjährigen haben Sie ja wohl total versagt, Doc«, meint der andere zynisch.
    »Das findet Jodi auch«, sagt Tim, und es klingt ein bisschen verbittert.
    Sein Assistent deutet auf den Patienten zwischen ihnen. »Er hier findet, dass Sie ein prima Herzchirurg sind. Einer der besten.« Er sieht Tim an. »Wie ist die Lage in Sydney? Will Ihre Frau die Trennung?«
    Tim antwortet nicht. Ein Blick zum EKG: stabile Frequenz. Das Herz schlägt kräftig und stetig. Blutdruck und Puls in Ordnung. Das war’s. Er sieht sich nach der Schwester um. »Was jetzt?«
    »OP-Zelt sieben, Doc. Schwere Thoraxverletzungen nach einer Explosion, Lunge kollabiert, hoher Blutverlust. Ein französischer Journalist. Er wäre im Rettungshubschrauber beinahe gestorben.«
    »Alles bereit?«
    »Intubiert und anästhesiert. Das OP-Team steht bereit. Sie warten nur noch auf Sie, Dr Winslow.«
    »Dann los.«
    Tim will schon das Zelt verlassen, um sich um den nächsten Patienten zu kümmern, als plötzlich ein schrilles Klingeln ertönt. Kammerflimmern!
    Hektik bricht im Zelt aus. Es besteht die Gefahr eines plötzlichen Herztodes. Und der Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff. Schnell jetzt!
    Das Fiepen des EKG übertönt den Alarm: Nulllinie!
    Nur das nicht! Bitte nicht!
    Herzdruckmassage! Die Spritze mit Lidocain? Der Defibrillator? Na los, beeilt euch!
    Tim legt die Paddles an. »Alle zurück! Und Schuss!«
    Der Körper bäumt sich auf, aber die Geräte zeigen keine Reaktion.
    Intubieren! Eine Spritze mit Adrenalin!
    Noch ein Schuss mit dem Defibrillator, stärker dieses Mal.
    Atmung? Blutdruck? Herztöne?
    Nichts, nichts, nichts!
    Und noch ein Schuss.
    Immer noch die Nulllinie.
    »Skalpell! Rippenspreizer! Ich mache ihn noch mal auf.«
    Dann hält er das leblose Herz in beiden Händen ...
     
     
    Mit einem Keuchen schreckte Tim aus dem Traum, der ihn jede Nacht verfolgte. Sein Puls raste,
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