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Lachen mit Tränen in den Augen (German Edition)

Lachen mit Tränen in den Augen (German Edition)

Titel: Lachen mit Tränen in den Augen (German Edition)
Autoren: Lara Myles , Barbara Goldstein
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sein Atem ging schwer, und er war schweißnass. Adrenalin strömte durch seine Adern. Sein Mund war trocken, und seine Augen brannten. Vor heißem Sand? Vor erstickendem Rauch? Oder vor Tränen? Stöhnend fuhr er sich mit dem Handrücken über die Stirn und schnaufte tief durch. Am ganzen Körper zitternd, drehte er sich auf die Seite und streckte die Hand nach Jodi aus. Er sehnte sich danach, von ihr im Arm gehalten zu werden, bis er sich beruhigt hatte.
    Aber Jodi war nicht da, nicht mehr.
    Er blinzelte das unberührte Kissen neben ihm an. Der Blütenkranz aus duftendem Jasmin war auf das zerwühlte Bettlaken gerutscht. Die leere Rotweinflasche und das Glas auf dem Nachttisch brachten mit dem schalen Nachgeschmack seine Erinnerung zurück. Okay, ja! Der lange Flug von Sydney nach Auckland und weiter nach Rarotonga. Die Ankunft in Papeete gestern Abend nach der zwölfstündigen Reise. Die Fahrt ins Resort, müde und genervt. Das Auspacken der Seesäcke und Transportboxen bei einer exzellenten Flasche Cabernet Sauvignon, die Wut, die Enttäuschung, die Einsamkeit. Und immer wieder die aufwühlenden Rückblenden auf jene OP vor fünf Tagen. Er kam damit einfach noch nicht klar. Das Gefühl, versagt zu haben, kannte er nicht. Weder als Doc noch als Daddy.
    Tim setzte sich im Bett auf und starrte das Foto auf seinem Nachttisch an. Jodi hatte es in eine der Aluboxen gesteckt, die sie für ihn gepackt hatte.
    Mein ganzes Leben passt in zwei große Transportboxen, dachte er. Mehr ist mir nicht geblieben. Meine Kleidung, mein Notebook, ein paar zerlesene Bücher, hauptsächlich Nelson DeMille, alle anderen als eBooks, meine CDs von Maria Callas und Alanis Morissette, eine Schachtel voller Fotos. Etwas zum Leben, etwas zum Erinnern. Aber, ganz ehrlich, braucht man mehr? Ich habe meine Frau und meinen Sohn verloren, die ich sehr liebe, ich habe meinen Job bei Médecins Sans Frontières hingeschmissen, der mir sehr viel bedeutet hat, und ich weiß nicht, wie es nun weitergeht. Seit meiner Abreise aus Sydney gleicht mein Leben einer Expedition in ein unbekanntes Land. Eine solche Reise sollte man mit leichtem Gepäck antreten.
    Er nahm den Rahmen vom Nachttisch.
    Das Foto war fünf Jahre alt. Jodi und er lagen nackt im zerwühlten Bett, zwischen ihnen strampelte Kyle, er hatte nur eine Windel an. Er hatte die Beine angezogen und die Arme weit ausgestreckt, um Mummy und Daddy zu erreichen, und er lachte vergnügt.
    Eine glückliche Familie, dachte Tim. Jodi hat das Foto mit Bedacht eingepackt. Es zeigt, was ich verloren habe. In den Aluboxen habe ich nach einem neueren Foto von Kyle gesucht. Mein Sohn und ich, als wir ausgelassen am Strand herumtoben und Rugby spielen. Oder Kyle auf meinem Schoß, als er meinen Audi Q7 die Auffahrt unseres Hauses in Sydney hinunterfährt. Wie er sich gefreut hat, weil ich ihn mein Auto fahren ließ! Das war vor einem halben Jahr gewesen, an Kyles fünftem Geburtstag. Die Fahrt mit Daddy war das schönste Geschenk von allen gewesen! Na klar, Jodi hat das Foto absichtlich nicht eingepackt. Wozu auch? Als Vater bin ich ja ein Versager. Ich habe ihm nie die Windeln gewechselt, den Spinat aus dem Gesicht gewischt oder ihm Gutenachtgeschichten vorgelesen. Ich bin ja nie da für meinen Sohn.
    Ihre Mail hatte ihn kalt erwischt. Nach dem Tod des jungen Amerikaners auf seinem OP-Tisch hatte Tim mit ihr reden wollen. Es war ihm gar nicht gut gegangen, trotz des Beruhigungsmittels und trotz des langen Spaziergangs durchs Camp, um all diejenigen zu besuchen, die er gerettet hatte, deren Wunden heilen würden, die weiterleben würden. Ihr dankbares Lächeln und ihr ausgelassenes »Hey, Doc!« hatten ihn nicht davon ablenken können, dass einer von ihnen nie mehr nach Hause zu seiner Frau und seinen Kindern zurückkehren würde. Bevor er versucht hatte, Jodi über Skype anzurufen, hatte er in seinem Zelt seine Mails gelesen.
     
    Von: Homebase [email protected]
    An: Flydoc [email protected]
    Kopie: Flydoc [email protected]
    10.06.2011 / 20:58
    Betreff: Wo steckst Du?
    Tim, hast Du meinen Brief bekommen? Mir ist klar, dass Du Zeit brauchst, um über alles nachzudenken. Aber lass mich zumindest wissen, ob Du ihn gelesen hast. Jodi
     
    Eine zweite Mail war zwei Stunden später abgesandt worden.
     
    Von: Homebase [email protected]
    An: Flydoc [email protected]
    Kopie: Flydoc [email protected]
    10.06.2011 / 23:14
    Betreff: Wieso meldest Du Dich nicht?
    Tim, wenn Du mehr Zeit
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