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Labyrinth der Spiegel

Labyrinth der Spiegel

Titel: Labyrinth der Spiegel
Autoren: Lukianenko Sergej
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Elite schwor dem neuen Imperium ihren Treueid.
    Schwor ihn der Tiefe  …

11
    Als ich die Virus-Postkarte endlich von meinem Rechner runter und die geklaute Datei verpackt hatte – nun würde sie im virtuellen Raum wie eine normale Diskette aussehen –, war es Mitternacht. Meine Kopfschmerzen waren weg, schlafen wollte ich absolut nicht. Welcher Einwohner Deeptowns schläft schon nachts?
    »Vika, einen Neustart«, befahl ich.
    Das nachdenkliche Gesicht auf dem Bildschirm runzelte die Stirn. »Bist du sicher?«
    »Ja.«
    Der Monitor trübte sich leicht, die Darstellung verschwamm, das Lämpchen von der Festplatte flackerte beim Rebooten. Meine Kiste war zwar ziemlich lahm, ein Pentium, trotzdem konnte ich mich nicht dazu durchringen, mir einen neuen PC zuzulegen. Alte Besen kehren eben auch nicht schlecht.
    »Guten Abend, Ljonja«, begrüßte Vika mich. »Ich bin bereit.«
    »Vielen Dank. Dann logg dich mal in Deeptown ein, über die Standardverbindung.«

    Das Modem klackerte, als es die Nummer wählte. Ich stülpte mir den Helm über und setzte mich an den Rechner.
    »Anschluss über Achtundzwanzig-Achthundert, die Verbindung ist stabil«, teilte Vika mir mit.
    »Starte Deep .«
    »Wird erledigt.«
    Auf dem blauem Bildschirm kam es in der Mitte zu einer weißen Explosion, bevor schließlich alles bunt wurde.
    Wie hast du das Deep-Programm entwickeln können, Dima? Mit deiner zerrütteten Psyche, deinen dilettantischen Kenntnissen in Psychologie und deinem rudimentären Wissen im Bereich der Neurophysiologie? Was hat dir geholfen?
    Und heute, wo du reich und berühmt bist, was steckst du dir da zum Ziel? Willst du deine eigene Erleuchtung begreifen? Oder dir etwas noch Faszinierenderes ausdenken? Oder frönst du dem Lotterleben und kiffst dir eins? Ziehst du vielleicht Tag und Nacht durch die Straßen Deeptowns, um dich an deinem eigenen Werk zu berauschen?
    Das würde ich echt gern wissen. Was nicht heißt, dass ich gern mit dir tauschen wollte. Du bist nämlich nur ein stinknormaler Bewohner der virtuellen Welt, trotz all deiner Millionen und des Prototyps des allerneuesten Rechners bei dir zu Hause. Die Tiefe hält dich genauso fest wie einen Entwickler aus der tiefsten russischen Provinz, der sein Geld über Monate zusammenkratzen muss, um sich einen Besuch in Deeptown leisten zu können.

    Du bist kein Diver, Dima. Und deshalb bin ich glücklicher als du.
     
    Das Zimmer sieht unverändert aus, nur dass draußen Leuchtreklamen flimmern und Autos leise vorbeirauschen.
    »Alles in Ordnung, Ljonja?«
    Ich sehe mich um.
    »Ja. Ich drehe noch ’ne Runde, Vika.«
    Ich nehme die Diskette mit der geklauten Datei vom Tisch und stecke sie in die Tasche. Mein CD-Player liegt auf einem Regal, zwischen ein paar Büchern und einem Stapel CDs. Ich wähle eine Scheibe vom Electric Light Orchestra, stöpsel mir die Kopfhörer ein und schalte den Apparat an. Roll over Beethoven. Genau das, was ich jetzt brauche. Mit der Rockmusik im Ohr verlasse ich die Wohnung und schließe die Tür ab.
    Diesmal gibt es keine Wanzen. Draußen hebe ich den Arm, um ein Taxi anzuhalten. Der Fahrer ist ein älterer, dicklicher, intelligent wirkender Mann.
    »Die Gesellschaft Deep-Explorer freut sich, Sie begrüßen zu dürfen, Ljonja!«
    Ich steige ein. »Zum Restaurant Die drei kleinen Schweinchen « , sage ich.
    Der Fahrer nickt, die Adresse kennt er. Wir sind schnell am Ziel, nur ein paarmal abgebogen – und schon ragt dieses seltsame Gebäude vor uns auf: Es besteht zu je einem Drittel aus Stein, Holz und Strohmatten. Obwohl ich das Restaurant seit langem kenne, sehe ich mich beim Eintreten um.

    Der Raum ist ebenfalls in drei Bereiche unterteilt: In dem Teil aus Strohmatten bietet man asiatische Küche an, in dem aus Stein europäische und in dem aus Holz – logisch – russische.
    Hunger hab ich keinen. Das virtuelle Essen macht subjektiv durchaus satt, und immer wenn ich pleite bin, esse ich in den Drei kleinen Schweinchen . Aber momentan muss ich einfach meinen Kumpel treffen.
    Ich steuere die Bar an. Hinterm Tresen steht ein korpulenter Typ. »Hallo, Andrej.«
    Manchmal bedient der Restaurantbesitzer seine virtuellen Gäste selbst. Heute ist das jedoch nicht der Fall. Die Augen des Barkeepers blitzen zwar auf, aber die Höflichkeit ist lediglich einprogrammiert: »Hallo! Was darf’s sein?«
    »Ein Gin Tonic, mit Eis.«
    Ich beobachte, wie er den Drink mixt. Das Tonic ist ein Schweppes, der Gin ein vorzüglicher Beefeater. Die
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