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Kutath die sterbende Sonne

Titel: Kutath die sterbende Sonne
Autoren: C.J.Cherryh
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weit entfernt von der Ehre, die ihr zukam. Ihre Gewänder waren weiß, ihr Gesicht stets unverschleiert: Mutter war der Titel, den der Stamm ihr schuldete, und She'pan, Bewahrerin-der-Mysterien, des Heiligen.
    Wahrschwester , dachte Niun von ihr voller Verlangen nach der Gefährtenschaft, die sie einmal gehabt hatten. So oft er sie in den weißen Gewändern und von Sen'ein umgeben gesehen hatte, konnte er die Verwandtschaft doch nicht vergessen.
    Sie winkte ihn herbei, entließ die anderen. Er senkte den Kopf und wartete, während die Sen'ein an ihm vorbeigingen, murmelte dem Sen'anth, dem alten Sathas, eine Höflichkeit zu – erhielt eine murrende Erwiderung, aber so ging Sathas mit jedem um.
    »Komm!« sagte Melein.
    Er gehorchte, nahm den angebotenen Platz zu ihren Füßen ein. »Du siehst müde aus«, meinte sie.
    Er zuckte die Achseln.
    »Du hast Schwierigkeiten?«
    »She'pan – das Kel hält diesen Ort nicht für eine sichere Zuflucht.«
    »So. Sind andere nicht schlechter?«
    Das war eine fordernde Frage; Melein war ungeduldig. »Andere erfordern es, eingenommen zu werden. Aber vielleicht ist es das, was wir tun müssen.«
    »Das Kel stimmt zu?«
    »Das Kel äußert keine Meinung.«
    »Ah.«
    »Das Heilige, die Dinge, die wir in der Stadt verloren haben... ich denke jetzt, daß wir, wenn es dort Schiffe gäbe, sie gesehen haben müßten. Gib mir die Erlaubnis, dort hinzugehen. Ich denke, daß wir die Sachen herausholen können. Und was das übrige angeht – vielleicht ist das nichts, zu dem das Kel eine Meinung haben sollte.«
    »Du hast angefangen, mit dem Warten aufzuhö- ren.«
    Er hob den Blick zu ihr und vollführte eine kleine Geste der Hilflosigkeit, war stärker bestürzt, als er ihr zeigen wollte. »Ich weiß, die alten Kel'ein sagen, daß es noch ein wenig dauert bis zum Wetterumschwung... nach dem Durchschnitt der Jahre. Aber wir sollten unsere Entscheidungen vorbereiten. Dieser Einschnitt wird sich zu den Meeresbecken hin entwickeln, wenn der Wind stärker wird. Davon bin ich überzeugt. Wir müssen etwas tun; ich habe versucht, mir zu überlegen, was. Der Zufall liegt immer schwerer auf unseren Schultern.«
    »Du hast mit dem Kel gesprochen.«
    Er zuckte unbehaglich die Achseln. »Ich habe es ihnen gesagt.«
    »Und sie haben keine Meinung.«
    »Keine, die sie ausgesprochen haben.«
    »So.« Sie schien an ihm vorbeizublicken mit Augen, die auf eine Stelle hinter Niun am Boden gerichtet waren, ihr Gesicht halb im Schatten, golden beleuchtet durch die Ölholzflammen. Schließlich blinzelte sie, die Membranen zuckten zweimal über die Augen, verrieten eine innere Regung.
    »Welchen Weg würdest du gehen?« fragte sie. »Hinab in die Becken? Man hat mir berichtet, daß auch dort Stämme leben, daß die Luft wärmer ist und es mehr Feuchtigkeit gibt; wir würden wahrscheinlich größere Stämme finden, oder kleinere Gebiete. Du würdest jede Herausforderung gewinnen. Ich zweifle nicht daran, daß du es würdest. Deine Fähigkeiten im Vergleich zu ihren – du bist ihnen stärker überlegen, als sie es festzustellen wünschen würden. Neun Jahre bei den größten Meistern des Kel – in der Beziehung habe ich überhaupt keine Furcht. Wir könnten... ja, wir könnten sogar ein Heiligtum erobern, um es zu verehren, die Vorräte der anderen nehmen, wenn unsere eigenen verloren gehen... die Götter mögen es verhindern. Und was noch?«
    »Ich bin Kel'en; wie sollte ich das wissen?«
    »Du hast dein ganzes Leben lang immer eine Meinung gehabt.«
    »Sag lieber, daß ich darin keine größere Hoffnung finde.«
    »Eines deiner J'tai fehlt.«
    Seine Hand fuhr zum Brustgürtel, bevor er begriff, was sie meinte, faßte an die leere Stelle zwischen seinen Ehrenzeichen.
    »Es war eines deiner ersten«, setzte sie nach. »Ein goldenes Blatt, ein Blatt , auf Kutath. Gewiß konnte es nicht herabfallen, ohne daß du es merktest. Ich vermisse es seit vielen Tagen.«
    »Duncan hat es.« Das war kein Eingeständnis, sie hatte es gewußt. Er wußte, daß sie es die ganze Zeit gewußt hatte.
    »Wir sprechen nicht über einen Kel'en, der ohne meinen Segen ging.«
    »Er ging mit meinem«, sagte er.
    »Tatsächlich? Sogar die Kel'ein dieses Stammes besprechen sich mit mir, obwohl sie dein und Duncans Beispiel vor sich haben. Ich habe darauf gewartet, daß du kommst und es mir berichtest. Und ich habe drauf gewartet, daß du kommst und für das Kel sprichst. Und beides tust du nicht, selbst jetzt. Warum?«
    Es fiel ihm schwer,
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