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Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe

Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe

Titel: Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe
Autoren: C Houck
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mit spielerischer Leichtigkeit. Seine Bewegungen waren von anmutiger Eleganz. Ich konnte das Spiel seiner kräftigen Muskeln unter dem schwarz-weiß gestreiften Fell sehen, während er seine Nummern probte.
    Mr. Davis schien ein guter Dompteur zu sein, doch es gab mehrere Gelegenheiten, bei denen der Tiger ihn hätte überrumpeln können – es jedoch nicht tat. Einmal war Mr. Davis’ Gesicht den ausgefahrenen Klauen des Tieres sehr nahe, doch dieser zog die Pfote zurück. Ein anderes Mal hätte ich schwören können, dass ihm Mr. Davis auf den Schwanz getreten war, aber wieder knurrte der Tiger nur leise und bewegte den Schwanz beiseite. Es war eigenartig, und ich konnte mich nicht dagegen wehren, dass ich mehr und mehr in den Bann dieses wunderschönen Tiers gezogen wurde. Ich fragte mich, wie es wohl wäre, es zu berühren.
    Mr. Davis schwitzte in der stickigen Scheune. Er befahl dem Tiger, zum Hocker zurückzukehren, stellte dann drei weitere Hocker in seiner Nähe auf und ließ ihn von einem zum nächsten springen. Zum Schluss führte er die Raubkatze zurück zu ihrem Käfig, gab ihr einen besonders saftigen Leckerbissen und winkte mich herunter.
    »Kelsey, du solltest jetzt besser zum Hauptgebäude laufen und Matt bei den Vorbereitungen für die Vorstellung helfen. Heute kommen eine Menge Senioren aus einem Altenheim.«
    Ich kletterte die Leiter hinunter. »Wäre es in Ordnung, wenn ich mein Tagebuch manchmal mitbringen würde? Ich würde den Tiger gerne malen.«
    »Natürlich«, sagte er. »Komm ihm allerdings nicht zu nahe.«
    Ich eilte aus dem Gebäude, winkte ihm von der Tür aus zu und rief: »Vielen Dank, dass ich Ihnen zusehen durfte. Das war wirklich aufregend!«
    Ich hastete zurück, um Matt zu helfen, da fuhr gerade der erste Bus auf den Parkplatz. Was dann folgte, war das genaue Gegenteil vom Vortag. Zuallererst kaufte die verantwortliche Frau alle Karten auf einmal, was meine Arbeit ungemein erleichterte, und dann schlurften die Zuschauer bedächtig in die Manege, ließen sich auf ihren Plätzen nieder und schlummerten augenblicklich ein.
    Wie können sie bei all dem Lärm nur schlafen? In der Pause gab es für mich nicht viel zu tun. Die Hälfte der Anwesenden schlief einfach weiter und die andere Hälfte stand Schlange vor den Toiletten. Niemand kaufte etwas.
    Nach der Vorstellung räumten Matt und ich rasch auf, was mir einige Stunden Freizeit ließ. Ich rannte zurück zu meiner Schlafnische, zog mein Tagebuch, einen Kugelschreiber, einen Bleistift und meine Steppdecke heraus und ging zur Scheune. Ich schob die schwere Tür auf und schaltete das Licht ein.
    Als ich zum Käfig trat, sah ich, dass der Kopf des Tigers behaglich auf seinen Pfoten ruhte. Zwei Strohballen boten sich mir als perfekter Stuhl mit Rückenlehne an. Die dünne Decke über meinem Schoß ausgebreitet, schlug ich mein Tagebuch auf.
    In der Highschool hatte ich ein paar Kunstkurse belegt und war ziemlich geschickt im Zeichnen. Ich nahm also meinen Bleistift zur Hand und betrachtete mein Modell. Der Tiger sah mir geradewegs in die Augen – nicht so, als wollte er mich fressen, es war mehr, als … wollte er mir etwas sagen.
    »Hey, Mister. Warum siehst du mich so an?« Ich grinste und begann mit der Zeichnung. Die runden Augen des Tigers standen weit auseinander und leuchteten tiefblau. Er hatte lange schwarze Wimpern und eine rosa Nase. Sein Fell war ein zartes Cremeweiß mit schwarzen Streifen, die sich von seiner Stirn und den Wangen bis hinab zu seinem Schwanz zogen. Die kurzen, pelzigen Ohren waren in meine Richtung gespitzt und sein Kopf lag träge auf seinen Pfoten. Während er mich beobachtete, bewegte er den Schwanz gemächlich hin und her.
    Ich verbrachte viel Zeit darauf, das Muster der Streifen richtig aufs Papier zu bringen, denn Mr. Davis hatte mir erklärt, dass es keine zwei Tiger mit denselben Streifen gab. Ihre Streifen waren so unverwechselbar wie der Fingerabdruck eines Menschen.
    Während des Malens redete ich mit dem Tiger. »Wie war noch mal dein Name? Ach ja, Dhiren. Nun, ich werde dich der Einfachheit halber Ren nennen. Hoffentlich ist das in Ordnung. Wie war dein Tag? Hat dir dein Frühstück geschmeckt? Du hast echt ein sehr schönes Gesicht für etwas, das mich fressen könnte.«
    Eine Weile waren die einzigen Geräusche das Kratzen meines Bleistifts und das tiefe, gleichmäßige Atmen des großen Tieres, dann fragte ich: »Gefällt es dir, ein Zirkustiger zu sein? Ich kann mir nicht vorstellen, dass
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