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Kuss des Apollo

Titel: Kuss des Apollo
Autoren: U Danella
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mitkommen, Mami?«
    »Ich will versuchen, wenigstens ein paar Koffer und Mäntel und so was wegzuschaffen. Runge hat noch einen Wagen, er wird mich fahren. Nicht direkt nach Dresden, sondern nach Bad Schandau, das ist im Elbsandsteingebirge. Dort liegt sein Neffe im Lazarett, den kann er besuchen. Möglicherweise kommt er gar nicht zurück.«
    »Der traut sich allerhand.«
    Sie konnte mit ihrem Sohn ganz offen sprechen, denn richtige Nazis waren sie in dieser Familie nie gewesen, und seit dem Tod ihres Mannes, der gleich im Sommer 1941 in Russland gefallen war, war Hanna Loske von Hass gegen das Regime erfüllt. Das hatte sie vor ihrem Sohn nie verborgen, er verstand das gut, weil er seinen Vater geliebt hatte.
    »Ich kann dich doch nicht im Stich lassen, Mami«, sagte er.
    »Quatsch. Du lässt mich nicht im Stich. Ich kann mir selbst helfen. Und du sollst überleben, darauf kommt es mir an. Wenn du hierbleibst, bist du verloren. Eines Tages treffen wir uns bei Kitty.«
    Kitty war Hannas jüngere Schwester. Um dem Arbeitsdienst zu entkommen, hatte sie eine Schwesternausbildung absolviert und später dann in der Universitätsklinik gearbeitet, sie war bei Ärzten und Patienten beliebt und angesehen. Dann jedoch bekam sie eine schwere Bronchitis, es begann mit Husten, wurde immer schlimmer, das Herz war angegriffen, und eine ewig hustende Schwester konnte man in der Klinik nicht brauchen.
    Der Chefarzt verordnete ihr eine vierwöchige Kur in Bad Reichenhall.
    Wilhelm Loske aber bekam vom Ortsgruppenleiter Runge einen prachtvoll gestempelten Passierschein, der ihn als Sanitätsgehilfen mit besonderen Aufgaben auswies, und damit gelangte er ziemlich mühelos zu Tante Kitty nach Reichenhall. Die Züge fuhren noch recht zuverlässig, manchmal beschossen Amerikaner oder Engländer die Züge im Tiefflug, doch dank den großartigen Papieren vom Parteigenossen Runge konnte Will zuletzt sogar mit einem Militärtransport mitfahren, sodass er bereits nach drei Tagen in Bad Reichenhall eintraf.
    Kitty war informiert, denn ihre Schwester hatte ihr längst mitgeteilt, wie sie sich das alles vorstellte.
    Kitty sagte nur: »Warum ist sie denn nicht mitgekommen? Breslau ist sowieso verloren. Und ob sie noch ein paar Fetzen rettet, ist inzwischen auch egal.«
    Kitty war genauso tüchtig wie ihre Schwester. Betten, auch Kleidungsstücke und ausreichenden Vorrat an Lebensmitteln hatte sie zu organisieren gewusst.
    Sie, die damals, hustend und nach Atem ringend, in das Kurbad gekommen war, hatte man dort nämlich nicht nur geheilt, man hatte sie gleich behalten. Ein junger Arzt, der hier praktizierte, hatte sich besonders eifrig mit ihr beschäftigt, denn Kitty, damals dreiundzwanzig, war ein hübsches Mädchen und dank ihrer medizinischen Vorbildung eine verständige Patientin, die wirklich alles tat, um möglichst bald gesund zu werden.
    Während ihres Aufenthalts in Bad Reichenhall begann der Krieg, was für alle in diesem Kurheim ein Schock war. Die Ärzte und Patienten hatten Hitler geglaubt, dass er nie und nimmer einen Krieg haben wollte. Man war ihm hier sehr nahe, zum Obersalzberg war es nur ein Katzensprung.
    Der junge Doktor und auch der leitende Arzt des Kurheims schlugen Kitty vor, sie solle am besten noch eine Weile bei ihnen bleiben, möglicherweise gäbe es jetzt Schwierigkeiten mit der Reise, außerdem wäre es sehr bedauerlich, wenn Kittys Heilungsprozess gefährdet würde. Außerdem hatte sich zwischen Kitty und dem jungen Doktor etwas entwickelt, zwar noch keine richtige Affäre, aber immerhin das Vorspiel dazu.
    Kitty sagte, sie wolle gern bleiben, nur müsse man ihr eine Arbeit geben, damit sie Geld verdiene.
    Kitty lernte schnell. Binnen eines halben Jahres war sie eine brauchbare Kraft in dem Kurheim geworden, und die inzwischen zur Wirklichkeit gewordene Liebesgeschichte machte ihr den Aufenthalt in Bad Reichenhall höchst angenehm. Nach Beginn des Russlandkriegs wurde der junge Arzt eingezogen, doch bevor er gehen musste, wurde noch geheiratet. Und es erging ihr wie so vielen Frauen in dieser Zeit, eines Tages war er verschwunden, ob tot oder gefangen, sie wusste es nicht. Anfangs hatten sie sich geschrieben, einmal kam er sogar auf Urlaub, aber weil er jung war, wurde er meist in Notlazaretten dicht hinter der Front eingesetzt, und Urlaub gab es bald gar keinen mehr.
    Dass sie sich nun mit einem Amerikaner eingelassen hatte, hatte mit Liebe nichts zu tun, es war Berechnung. Und sie tat es nicht zuletzt wegen
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