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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss
Autoren: Gmeiner-Verlag
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schmalen Grat ging, wenn er einerseits die Journalisten informieren, andererseits aber nicht allzu viel von den Ermittlungsergebnissen preisgeben sollte, wurde aus seinen Gedanken gerissen, als ein Kollege neben ihm den Telefonhörer in die Halterung knallte und rief: »Leute, die Sache mit den Handynetzen ist nicht so einfach. Selbst wenn rundum die Sender vom Netz gehen, kann es passieren, dass sich das Handy dort oben im Turm in ein entfernt gelegenes einloggt. Sagen jedenfalls die von T-Mobile.«
    »Dann schaltet halt alle ab, verdammt noch mal«, sagte ein Kriminalist zwei Schreibtische weiter. »Ist das denn so schwierig?«
    »Ist es«, gab der andere zurück. »Zwei, drei Sender können sie vom Netz nehmen, aber nicht im Umkreis von 30 Kilometer gleich alle.«
    »Müssen wir denn alle Anbieter vom Netz nehmen?«
    »Der Anruf kam aus dem T-Mobile-Netz«, gab der Beamte neben Stock zurück. »Aber wir wissen nicht, wie viele Geräte der Kerl tatsächlich hat – und für welche Netze.«
    Stock seufzte in sich hinein. Die Technologie wurde immer undurchsichtiger und komplizierter.
    »Außerdem ist Leichtles Handy bei Vodafone registriert«, gab ein anderer zu bedenken. »Wir müssen dafür sorgen, dass auch damit nicht telefoniert werden kann.«
    Der neue Leiter der Polizeidirektion, Hans Baldachin, der ebenfalls gekommen war, hatte mit dem gleichfalls neuen Leiter der Kriminalpolizei, Thomas Kurz, einige Worte gewechselt, um dann zu entscheiden: »Die sollen alles vom Netz nehmen, was möglich ist. Ein Restrisiko bleibt.«
    Ein Restrisiko, dachte Stock, das im schlimmsten Fall Sander das Leben kosten konnte.
     
    *
     
    Sander hatte widerwillig zum Handy gegriffen und den Klingelton so schnell wie möglich zum Verstummen gebracht. »Ja?«, meldete er sich, während sein Blick über die Höhenzüge der sonnigen Fjordlandschaft strich. Er lauschte dem Anrufer, äußerte ein paar Mal knapp »mhm« und »ja« und spürte, wie das Blut aus allen Teilen seines Körpers wich. »Okay, alles klar.« Er mied es, irgendetwas zu sagen, woraus Doris schließen konnte, worum es ging. Doch sein Gesicht war aschfahl geworden.
    »Darf ich wissen, was passiert ist?«, drängte Doris, als er sein Gerät abschaltete.
    »Sie haben ihn, den Täter vom Weiherwiesensee«, versuchte Sander, ruhig zu wirken. »Aber sie meinen, es gebe noch einen zweiten.« Er schluckte trocken und spürte ein Kratzen im Hals. »Ich soll mich hier irgendwo bei der Polizei melden.«
    »Du? Wieso denn du? Und wieso hier?« Doris sah ihn zweifelnd an. Seine Wortkargheit hatte ihr die ganzen Tage über schon schwer zugesetzt.
    »Reine Vorsichtsmaßnahme, meinen sie.«
    Der Appetit auf ihr Rucksackvesper war ihnen gründlich vergangen – und auch der grandiose Ausblick auf den dunkelblau zwischen den Steilhängen liegenden Fjord hatte seinen Reiz verloren. Plötzlich erschienen Sander die vielen Menschen, die sich vor ihnen auf dem Plateau sonnten, sehr bedrohlich. Und zwar jeder Einzelne von ihnen.

52
    Häberle hatte das Signal gegeben. Nachdem die Funkzellen der Handynetze im näheren Umkreis abgeschaltet waren, wie es die Sonderkommission mitgeteilt bekommen hatte, pirschten sich die SEK-Männer im Schutze des Blätterdachs durch den Wald an den Turm heran. Weitere Einsatzkräfte waren durchs Unterholz gerobbt und lagen in ihren Verstecken – das Präzisionsgewehr auf den Turmhelm ausgerichtet. Lautlos, wie Raubkatzen auf Beutezug, verließen die anderen ihre Deckung und huschten auf das runde Gebäude zu, das im gleißenden Sonnenlicht in den Himmel ragte. Die Sandstein-Buckelquader, aus denen der Turm bestand, warfen mit ihren Wölbungen bizarre Schatten aufeinander. Die Männer drückten sich an die Wand, um nicht bemerkt zu werden, falls oben jemand aus dem Fenster sah. Sie glitten rechts am Turm entlang, um zur talseitigen Fassade zu gelangen.
    Mithilfe einer Skizze hatte Häberle den Männern die Anordnung von Treppe und Turmstube geschildert. Demnach gab es dort oben nur zwei Fenster, die seitlich in Richtung Stadt zeigten. Es müsse also davon ausgegangen werden, dass sich Geiselnehmer und Opfer eher an den gegenüberliegenden Fenstern aufhielten, von denen die Hochfläche mit ihren Zufahrtswegen überblickt werden könne, erklärte der Ermittler.
    Die Männer, die sich über ihre Einsatzoveralls Klettergeschirr gestreift hatten, deuteten wortlos an der Fassade hinauf, entrollten einige Kletterseile und waren sich über die Vorgehensweise einig.
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