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Kurschattenerbe

Kurschattenerbe

Titel: Kurschattenerbe
Autoren: Sigrid Neureiter
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ihm zunickte.
    »Steigen S’ vorne bei mir ein«, sagte er zu Lenz.
    Jenny wurde auf ihrem Traggestell in den hinteren Teil des Fahrzeugs verfrachtet. Einer der beiden Männer schnallte ihr ein Blutdruckmessgerät um den Oberarm, während der andere am Fahrersitz Platz nahm und den Wagen startete.
    Der Sanitäter lauschte ihren Pulsschlägen. Jenny fuhr hoch. »Viola!«, rief sie. »Sie liegt im Schuppen. Jemand muss sich um sie kümmern.«
    Resigniert nahm der Mann die Stöpseln seines Stethoskops aus den Ohren und öffnete das Schiebefenster, das ihn von seinem Kollegen trennte. »Wir brauchen einen zweiten Einsatzwagen.« Er ließ sich von Jenny die genaue Lage des Ortes beschreiben, an dem sie Viola zurückgelassen hatte.
    Kaum hatte Jenny ihren Bericht beendet, sank sie erschöpft zurück. Das Ganze war wohl ein wenig zu viel für sie. »Nicht einschlafen«, sagte der Rettungsmann und begann, ihr kräftig die Wangen zu tätscheln. Warum ließ er sie nicht in Ruhe? Sie hatte doch alles gesagt. Sie wollte nur schlafen. Schlafen, träumen …
    »Sie verliert das Bewusstsein«, rief der Sanitäter durch die offene Scheibe seinem Kollegen zu. Jenny hörte es nicht mehr.

DONNERSTAG

ZWANZIG
    Mutmaßlicher Mörder Peter Mitterers tot geborgen
    Die Polizei hat die Leiche des berühmten Autors Maurice Jungmann geborgen. Er wird verdächtigt, den Südtiroler Heimatmaler Peter Mitterer ermordet zu haben.
    Die Leiche ist kurz vor der Einmündung der Passer in die Etsch ans Ufer gespült worden. Bei dem Toten wurde ein Rucksack gefunden. Darin befand sich ein Bild, das vermutlich Oswald auf dem Weinfass zeigt. Laut Angaben der Polizei wurde das Gemälde durch den langen Aufenthalt im Wasser bis zur Unkenntlichkeit beschädigt.
    »Wir prüfen, ob eine Restaurierung möglich ist. Die Entscheidung darüber ist Sache der Erben«, erklärte dazu Vizequästorin Franca Bertagnoll vom Meraner Kommissariat. Das Rätsel um das geheimnisvolle Bild ist demnach weiterhin nicht gelöst.
    Beppo Pircher saß an der Sesselkante und beobachtete gespannt das Mienenspiel seines Chefredakteurs. Vinzenz Gasser las den Bericht Zeile für Zeile.
    »Der Artikel isch in Ordnung«, sagte er.
    »Vielleicht erfahr ich noch etwas über das Bild. Sollten wir vielleicht noch warten…«, begann Beppo.
    »Na, so wie’s da steht, passt es«, beschied der Chef. »Und wenn du no was in Erfahrung bringsch, na kimmsch zu mir. Aber mi interessieren nur Fakten, koane Spekulationen«, fügte er streng hinzu.
    Beppo nickte. Er konnte froh sein, dass er seinen Job behalten hatte. »Ich schick den Artikel für die morgige Ausgabe an den Chef vom Dienst. Wenn’s was Neues gibt, meld ich mich«, versprach er und verließ Gassers Büro.
    *
    Lenz Hofer war im Krankenhaus angelangt. Er hatte die Teilnehmer des Symposiums über die Ereignisse informiert und sie über das vorzeitige Ende der Tagung in Kenntnis gesetzt. Damit waren die Formalitäten erledigt, mehr konnte er nicht tun.
    Wenigstens ging es Arthur besser. Er war von der Intensivstation in ein Einzelzimmer verlegt worden. Von drinnen hörte Lenz Stimmen. Wer war bei Arthur?
    Rasch öffnete er die Tür. Arthur sah von seinem Krankenbett hoch. Die Person, die auf dem Stuhl daneben saß, drehte sich um.
    »Hallo, Lenz«, sagte sie und ein leiser Vorwurf schwang in ihrer Stimme. »Du weißt, dass man anklopft, bevor man ein Zimmer betritt.«
    »Jenny«, rief Lenz aus. Nur mit Mühe konnte er seine Überraschung verbergen. Sie war gestern wieder zu sich gekommen. Die Ärzte hatten sie über Nacht im Krankenhaus behalten. Er hatte nicht erwartet, dass sie bereits kräftig genug war, um Arthur einen Besuch abzustatten.
    »Setz dich zu uns«, sagte sie. »Arthur wollte mir gerade erzählen, wie die ganze Sache begonnen hat.«
    Lenz tat wie ihm geheißen. Er brannte darauf, mehr zu erfahren.
    »Maurice und ich haben Peter Mitterer bei einem Ausflug auf den Pferderennplatz kennengelernt. Wir kamen ins Gespräch. Er meinte, er würde uns gerne etwas zeigen und lud uns zum Abendessen ein«, berichtete Arthur.
    Nach dem Essen führte er sie in sein Atelier, enthüllte das Bild und berichtete, dass er es von seinem Urgroßonkel und der wiederum von einer jungen russischen Dame, die in Meran zur Kur weilte, bekommen hatte.
    »Was meinen Sie?«, hatte er Arthur und Maurice gefragt. »Ist das wirklich Oswald von Wolkenstein, den wir da vor uns haben?« Maurice hatte sofort zugestimmt, Arthur war zurückhaltend geblieben.
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