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Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk
Autoren: Kriegsbraut
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an diesem Tag und störte so, wie
früher ihre Mutter gestört hatte, wenn Freunde zu Besuch waren. Einmal hatten
sie das Klopfen nicht gehört, und dann stand da plötzlich eine Frau mit
Schürze, die Esther so sah, wie sie sonst nur Männer hatten sehen können. Das
heißt, die meisten Männer hielten dabei die Augen geschlossen.
    «Nächstes
Mal nehmen wir ein billiges Hotel», sagte Thilo.
    Sie ließen
sich Caesar Salad bringen und Sandwiches und Champagner in einem Kühler. Sie
verließen das Zimmer nur einmal am frühen Abend. Es schneite nicht mehr, sie
gingen Hand in Hand auf die Seebrücke und schauten auf die Ostsee, die heute so
still dalag, als wäre es Land. Drei Angler lehnten am Geländer und starrten ins
Wasser. Das Hotel lag weiß und hell erleuchtet hinter dem Strand. Ein Paar kam
aus dem Restaurant, sie trug eine Pelzjacke, er einen Hut, sie redeten laut und
lachten und fragten die Angler, was sie gefangen hätten. Keine Antwort. Einer
der Angler schnitt einen Fisch auf, riss die Innereien raus und warf sie
achtlos weg. Blut spritzte auf einen Schuh der Frau. Das Paar ging wieder. Weit
hinten auf dem Meer zogen die Lichter eines Schiffes vorüber.
    «Wir
hätten sterben können», sagte Esther.
    «Auf der
Autofahrt?»
    «Wäre das
schlimm gewesen?»
    Sie hatte
darüber nachgedacht. Nicht dass sie sterben wollte, aber wenn sie mit Thilo im
Auto gestorben wäre, hätte man sie zusammen in dem Wrack gefunden, und sie
hätte Greta etwas voraus gehabt. Etwas, das Greta nicht mehr wettmachen konnte.
    «Nein.»
    Sie mochte
nicht, wie er das Wort dehnte, wie er erst die Stimme senkte und dann hob. Er
nahm sie in den Arm und küsste sie. Esther durchschaute die Absicht, sie von
dem Thema abzulenken, ließ es aber zu. Vielleicht war es zu früh für große
Fragen. Andererseits gilt für große Fragen, dass nur die frühen Antworten große
Antworten sind, wenn nicht alles abgeklärt, abgeklopft, abgesichert ist.
    Auf der
Rückfahrt hielt sie ihm fordernd die Hand hin. Er schaute ihr kurz in die
Augen, dann nahm er sie. Es schneite nicht mehr, die Straße war frei.
    «Warum
sagst du nie etwas?», fragte er.
    «Ich sage
etwas.»
    «Nicht
viel.»
    Sie sah
ihn an, sagte nichts.
    Es
stimmte. Sie hatte auch nach dem ersten Abend nicht angefangen zu sprechen.
Wenn sie sich nicht liebten, hörte sie ihm zu. Stellte er eine Frage, blieb
sie knapp in den Antworten. Er war darüber hinweggegangen, aber sie wusste,
dass sie so deutlich schwieg, dass er es bemerken musste. Manchmal war es so,
dass sie auf ihre eigenen Worte wartete, aber sie kamen nicht. Und wenn sie den
Impuls spürte, etwas erzählen zu wollen, suchte sie seine Lippen. Sie küsste
sich die eigenen Worte weg.
     
    Wenig
später lud er sie zu einer Party bei sich zu Hause ein. «Ein paar Leute, Wein
und Grill», sagte er. Sie wollte da erst nicht hin und dann doch. Aber was
anziehen? Alles das, was nur eine wirklich junge Frau tragen konnte, kurzer,
enger Rock, kurzes Top, das den Bauch zeigt, Arme frei? So reizvoll konnte
Thilos Frau gar nicht sein. Der Nachteil war, dass sie dann als die Fickmaus
auftreten würde, die sie auf keinen Fall sein wollte und auch nicht war, sicher
nicht. Also das Gegenteil? Eleganz, Fraulichkeit, Ernst und Würde - der Rolle,
die sie künftig einnehmen wollte, gerecht. Die Frau an seiner Seite. Sie wälzte
das ein paar Tage hin und her und probierte den halben Kleiderschrank durch,
kaufte auch einiges dazu, obwohl sie sich sonst nicht viel mit Modefragen
befasste. Es wurde etwas in der Mitte, kurzer, enger Rock, darüber eher
züchtig, flache Schuhe.
    Greta
begrüßte sie an der Tür, ein genauer Blick, aber pure Freundlichkeit. Esther
war spät gekommen, um nicht den Verlegenheiten eines frühen Smalltalks ausgesetzt
zu sein. Eine Menge Leute waren da, sie standen und saßen in der Küche, im
Wohnzimmer und draußen unter Heizpilzen neben dem Grill. Sie ging hierhin und
dorthin, ohne mit jemandem zu reden. Ein paar Gesichter kannte sie aus dem
Fernsehen. Sie schaute sich das Haus an, aber nicht so, sagte sie sich, als
wäre es das Haus, in dem sie künftig leben würde. Wahrscheinlich müsste Thilo
es seiner Frau überlassen, auch wegen der Kinder. Sie verstand das. Und sie
wunderte sich, wie groß es war, er hatte nie darüber gesprochen. Es stand
direkt am Wasser, in Sacrow, es war eine Villa mit einer Freitreppe zum Garten
hin. Rechts und links neben der Terrassentür wölbten sich Halbsäulen aus der
Fassade, darüber
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