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Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk
Autoren: Kriegsbraut
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bisschen
für ihr Klammern. Sie hatte sich noch nie so verzweifelt erlebt wie in diesen
Morgenstunden. Alle Entscheidungen über ihr Leben hatte sie vertagt. Als sie
einmal auf ihn wartete, blieb sie beim Zappen an einem Film über deutsche
Soldaten in Afghanistan hängen. Sie fand die Herausforderung interessant, bei
vierzig Grad anstrengende Dinge zu tun. Dann klingelte es, Thilo. Sie machte ihm
unten auf, öffnete ihre Wohnungstür und ging in die Küche, beschäftigte sich
dort mit Dingen, die nicht notwendig waren. Er kam in die Küche, sie küssten
sich und schoben einander ins Schlafzimmer. Seine Fragen nach ihrem Leben,
ihrem Vorleben wurden drängender, sie sagte nichts.
    Manchmal
riefen Leute an, und er verhandelte mit ihnen über Filme, während er nackt
neben ihr lag. Er hatte zuletzt einen Film produziert, bei dem es um einen
Turmspringer aus Tiflis ging. Der Turmspringer trainierte für die Olympischen
Spiele 1992 in Barcelona, doch nach dem Zusammenbruch des Sozialismus funktionierte
für eine Weile die Wasserversorgung nicht. Es war ein heißer Sommer, und die
Leute holten sich Wasser aus dem Becken, bis es leer war. Nach der Krise wurde
es nicht mehr aufgefüllt, obwohl der Turmspringer, der sich als
Medaillenhoffnung sah, sogar den Staatspräsidenten anflehte. Das Wasser werde
woanders dringender gebraucht, hieß es. Der Turmspringer begann, das Becken
mit zwei Eimern eigenhändig aufzufüllen, musste aber bald einsehen, dass er es
nicht rechtzeitig schaffen würde, um bis zu den Olympischen Spielen in Form zu
sein. Für ein Trainingslager in einem anderen Land fehlten ihm die Devisen.
Esther hatte den Film auf einer DVD gesehen, er war langsam erzählt, sie fand
ihn ein bisschen langweilig, aber die Trockenübungen des Turmspringers hatten
poetischen Charme. Das Ende war erwartbar und daher enttäuschend. Der
Turmspringer stieg auf den Zehnmeterturm und machte einen wunderschönen Sprung
mit Salti und Schrauben und landete kopfüber in dem Becken, das höchstens zwei
Handbreit hoch mit Wasser gefüllt war. Der Film lief auf einigen Festivals,
und nun suchte Thilo einen Verleih fürs deutsche Kino. Die großen hatten schon
abgesagt, auch von den Nischen-Verleihern war nur noch ein Interessent übrig.
    Er lag in
ihrem Bett, sie hatten sich geliebt, wie sie sich nun immer liebten. Sie
forderte harte Stöße, die sie nicht bekam. Er bewegte sich sanft in ihr, weich,
rund, und sie schrie und flehte, dass er sie hart nehmen solle. Er flüsterte
ihr ins Ohr, forderte Liebe und Treue, und sie versprach ihm alles, aber er
bewegte sich noch langsamer, hielt inne, drückte sie nieder, damit sie sich
nicht rühren konnte, und sie kämpfte dagegen an, wütend, verzweifelt, sie biss
ihn so fest, dass er sie schlug, damit sie ihre Zähne löste, und er bewegte
sich wieder, aber seiner quälenden Verhaltenheit konnte sie nur entkommen, indem
sie kam.
    Nach ein
paar Wochen fragte er sie, was er tun müsse, damit sie kommen würde, sie
wirklich hart stoßen, obwohl er das nicht möge? Da verstand sie erst, was passierte.
Sie kam lautlos, reglos, die ganze Energie ging nach innen, und das war schöner
als alles, was sie sonst erlebt hatte. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
Der Zauber war bedroht durch seine Frage. Er musste ihr die Härte verweigern,
aber er durfte nicht wissen, dass sie genau das wollte. Nur in der
Nichterfüllung ihrer Wünsche fand sie diese wunderbare Erfüllung, und das,
dachte sie, würde nicht gehen, wenn es reines Spiel wäre, reine Fiktion. Sie
brauchte seine echte Verweigerung, um dagegen ankämpfen zu können. Deshalb
sagte sie nichts, sagte nur, dass es schön sei mit ihm, und wechselte das
Thema. Sie fürchtete, der Zauber sei womöglich schon zerstört durch ihre
eigenen Überlegungen, aber als sie das nächste Mal miteinander schliefen, war
es wie immer, sie vergaß ihre Gedanken und biss ihn verzweifelt.
    Danach
saßen sie auf ihrem Bett und aßen Litschis. Das war der Ablauf, der sich
eingespielt hatte. Beim ersten Mal waren zufällig Litschis in der Obstschale
gewesen. Sie mochte es, die Litschis für ihn zu schälen. Die rote, harte
Schale, die riss, wenn man daran knibbelte, darunter das weiße, saftige
Fleisch. Ihre Hände trieften bald. Thilo biss das Fleisch vom Kern, den er
anschließend in den Mund steckte und ablutschte. Wenn er genug Litschis
gegessen hatte, forderte er sie auf, sich einen Finger reinzuschieben, den er
dann ebenfalls ablutschte. «Ich mag diese
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