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Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk
Autoren: Kriegsbraut
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ein Flugzeug, und er breitete die Arme aus
und drehte kleine Kreise vor ihr, als wäre er ein Flugzeug. «Pull me out of the
aircrash», sang er. Um fünf machte sie die Bar dicht. Er schlug vor, sie mit
dem Taxi nach Hause zu fahren, und sie willigte ein, obwohl es nur ein kurzer
Weg war, den sie zu dieser Stunde eigentlich gerne ging. Zum Abschied gab er
ihr wieder die Hand.
    «Schlafen
Sie gut.»
    «Sie
auch.»
    Sie stieg
aus und winkte dem Taxi hinterher.
    Er kam
dann häufiger, erzählte von Filmen, die sie nicht kannte, und manchmal von
seiner Familie. Esther war niedergeschlagen, wenn er sich nicht sehen ließ.
Sie wusste immer noch nicht, was sie mit ihrem Leben machen sollte. Doch noch
als Informatikerin arbeiten? Nein, das war behaftet mit einem anderen Leben. Etwas
anderes fiel ihr nicht ein. Wenn sie nachmittags, vor ihrer Schicht, in einem Café
saß, fragte sie sich, ob sie verliebt war in diesen Mann, und wenn ja, warum?
Er sah gut aus, aber er war ein Angeber mit seinen Filmgeschichten. Manchmal
rief sie ihre Mutter an und ließ sich von den Fischen berichten. Ihre Mutter
wusste, was sie fragen konnte und was nicht.
    Seltsamerweise
mochte Esther diesen Mann am meisten, wenn er ihr von seinen Kindern erzählte,
obwohl ihr diese Geschichten mehr und mehr wehtaten. In seiner Fürsorge und
seiner Angst, ihnen könne etwas Böses geschehen, zeigten sich ein Ernst, eine
Erwachsenheit, die ihr unbekannt waren und die sie rührten. Jasper war immer
bemüht gewesen, erwachsen zu werden, dieser Mann war es. Und dann doch wieder
Filmkind. Sie entschied sich, vorsichtig zu sein, skeptisch, aus Misstrauen
gegen sich und gegen ihn. Auf keinen Fall würde sie sich für ein paar
Filmgeschichten ins Bett ziehen lassen, undenkbar, dann lieber Männer ohne
Nachnamen, mit langweiligen Geschichten aus Büros und Vorlesungssälen. Dabei
ging es um Körper, das war reell. Allerdings hatte der Mann nie versucht, sie
ins Bett zu bekommen, was sie seltsam fand, selbst bei einem kritischen Blick
in den Spiegel. Sie hatte beinahe schwarzes Haar, ein schmales Gesicht mit
großen Augen und einer feinen Nase, lange Wimpern. Vielleicht war sie ein
bisschen dünn, aber dafür, dass sie so dünn war, fand Esther, hatte sie ganz
ordentliche Brüste, die sie mit weniger Laufen und mehr Essen noch etwas
vergrößern könnte, aber egal. Das Einzige, was sie wirklich an sich störte,
waren die dunklen Haare an Armen und Beinen. Ständig kaufte sie Großpackungen
Wegwerfrasierer. Sie fragte sich, wie es ist, mit einem Mann zu schlafen, den man
siezt. Niemand siezte sie in der Bar. Warum tat er das?
    Skepsis
also, Widerständigkeit, falls es mal losgehen sollte, das war sicher. Und doch
ließ sie sich küssen, als er es nach der vierten oder fünften Taxifahrt vor
ihrer Haustür versuchte. Dafür nahm sie ihn nicht mit nach oben. Gefragt hatte
er allerdings nicht. Das tat er beim nächsten Mal. Entschiedenes nein. Sie ging
weniger Laufen, aß mehr. Im Café dachte sie immer wieder daran, wie er sie
gefragt hatte: «Würden Sie mich mit nach oben nehmen?»
    Erst fand
sie es befremdlich, dass sie sich siezten, dann lustig und irgendwie schön,
aber jetzt ärgerte sie sich darüber. Wollte er sie so auf Distanz halten?
Wollte er, dass sie ihm das Du anbot? Und war es unschicklich, wenn die Frau
die Initiative ergriff? Sie wusste es nicht. Es hatte nie eine Rolle gespielt
in ihrem Leben. Allmählich hatte sie den Eindruck, die Sache werde zur Machtprobe.
Sie war wütend, als er beim nächsten gemeinsamen Abend immer noch Sie sagte,
obwohl sie sich wieder geküsst hatten, lange diesmal.
    In der
folgenden Nacht, morgens um zwei, klingelte in der Bar das Telefon. Sie
erschrak, weil es noch nie geklingelt hatte. Wenn der Besitzer etwas wollte,
rief er sie auf dem Handy an.
    «Cincinnatus
Bar, Esther», sagte sie.
    «Wollen wir
uns duzen?»
    «Ja.»
    «Thilo.»
    «Esther.»
    Eine halbe
Stunde danach war er da, und sie war so glücklich wie schon lange nicht mehr.
Thilo erzählte von der Riefenstahl. Als er sie später vor der Haustür fragte,
ob sie ihn mit nach oben nehme, sagte sie nein.
    «Warum
nicht?»
    «Ich kann
deine Wohnung auch nicht sehen.» Der Taxifahrer schaltete den Motor aus. Sie
küssten sich wieder.
    Als er sie
am übernächsten Abend in der Cincinnatus Bar besuchte und alle anderen Gäste
gegangen waren, sagte er, dass er mit Greta nicht glücklich sei, sie aber wegen
der Kinder nicht einfach verlassen könne. «Liebst du
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