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Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk
Autoren: Kriegsbraut
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an, er blickte in eine Kladde. «Ich habe mich gefreut», sagte er
und blickte auf. «Ich habe mich sehr gefreut», sagte er. «Hast du mich
vermisst?»
    «Ja.»
    «Ich habe
dich auch vermisst.»
    «Dann
waren wir im Vermissen vereint.»
    «Ja.»
    Sie
schwiegen. Dann sagte Esther: «Eine andere Frau ist gestorben und ihre beiden
Kinder.»
    «Was haben
sie auch dort gemacht?»
    Die Zeit
war abgelaufen, sie musste fahren, ein Winken zum Abschied. Sie war zufrieden
mit diesem ersten Besuch. Seither war sie fünfmal bei Mehsud gewesen. Beim
dritten Mal hatten sie sich geküsst. Sie bekam wieder Angst, dass die Fahrten
gestrichen würden. Es gab Gerüchte im Lager, dass Taliban vom Süden her in
den Norden einsickern würden. Dann wurde ein Konvoi beschossen, zwei
Leichtverletzte nur, aber die Nervosität stieg. Und vorgestern hatten wieder
Zettel am Schultor und den Haustüren gehangen,- sie mussten die Mädchen erneut
einsammeln, es waren nur halb so viele mitgekommen wie beim ersten Mal.
     
    Esther
setzte sich auf die Mauer. Es war ihre Schuld gewesen, dass sie so spät
weggefahren waren von der Schule, sie kam nicht los von Mehsud. Es regnete,
dann der Erdrutsch. Sie hatten mit dem Tactical Operation Center in Kunduz
beraten, was zu tun sei. Weiterfahren wurde ihnen untersagt, einen anderen Weg
kannten sie nicht, und in der Dunkelheit war es nicht ratsam, nach einem Weg zu
suchen. Sie sollten die Nacht abwarten, dann würde Hilfe kommen. Sie parkten
den Wolf und den Dingo am Obsthain, nachdem sie den Besitzer mit Gesten gefragt
hatten, ob das in Ordnung sei. So lange es hell war, hielten sich ein paar
Kinder und Jugendliche in ihrer Nähe auf. Sie fragte auf Englisch und Russisch,
ob sich hier in jüngster Zeit Taliban hätten blicken lassen, doch die
Antworten blieben unverständlich. Beim Wort Taliban nickten die Kinder, aber
das konnte alles Mögliche heißen. Sie hatten keine Zelte dabei, keine Decken.
Im Dingo fanden sie zwei Einmannpackungen, die sie aufteilten. Sie saßen auf
der Mauer und sahen zu, wie das Essen warm wurde. Niemand sprach. Zwei der drei
Gebirgsjäger hatten Angst, das spürte Esther. Sie hatten darauf gedrängt,
trotz der Minengefahr zu fahren, lieber ein schneller Minentod als den Taliban
in die Hände fallen. Es gab so viele Geschichten im Lager, was einem dann
blühte. Einer der Gebirgsjäger hing ständig am Satellitentelefon und beriet
sich mit einem Vorgesetzten, obwohl die Lage so war, wie sie war. Man musste
eben warten.
    Die Nacht
kam schnell, die Kinder und Jugendlichen verschwanden, das Konzert der Frösche
schwoll an, keine Sterne am Himmel. Aus den Häusern oben am Hügel kam Licht,
bis eins nach dem anderen erlosch. Sie saßen unter den Bäumen und schauten
sich auf einem Laptop Filmchen an, die einer der Gebirgsjäger runtergeladen
und gespeichert hatte. Sie sahen, wie ein Löwenrudel auf eine Büffelherde
zuschlich. Die Löwen griffen an, isolierten ein Junges und holten es von den
Beinen, wobei sie mit dem kleinen Büffel in einen Fluss fielen. Die Löwen
zerrten an ihm herum, bis ein Krokodil herbeischwamm, das von der anderen Seite
zerrte. Die Löwen siegten, aber als sie ihre Beute ans Ufer geschleppt hatten,
standen sie der Büffelherde gegenüber, die sich neu gesammelt hatte. Nun
attackierten die Büffel, ein Löwe flog durch die Luft, die Löwen trollten sich.
Der kleine Büffel hatte überlebt, und die Soldaten klatschten. Danach sahen sie
sich Verkehrsunfälle an, die irgendwelche Leute zufällig aufgenommen hatten.
Um neun teilten sie die Wachen ein, Esther konnte bis Mitternacht schlafen,
danach musste sie drei Stunden Wache halten, dann war Ina dran.
    Esther
hörte etwas, ein Geräusch, als habe jemand vor einen Stein getreten. Sie
entsicherte ihr Gewehr, glitt leise von der Mauer und hockte sich hinter den
Wolf. Der Gebirgsjäger, der hinten Wache am Dingo hielt, hatte ihre Bewegung
bemerkt und duckte sich. Sie winkte ihn vor und dirigierte ihn an die rechte
Hinterseite des Wolf. Beide lauschten in die Nacht. Nichts, außer den Fröschen.
Sie warteten eine Weile, und als nichts passierte, richtete sich Esther auf und
machte ein paar vorsichtige Schritte auf die Straße. Das Gewehr hielt sie im
Anschlag. Sie stierte in die Dunkelheit, horchte. Sie hörte ein Schnauben. Es
war kein Pferd, wie sie gedacht hatte, sondern ein Esel. Er stand vor ihr auf
der Straße und sah sie an. Sie ging hin, streckte ihm langsam die Hand entgegen.
Der Esel schnupperte daran. Esther
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