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Kunstraub im Städel

Kunstraub im Städel

Titel: Kunstraub im Städel
Autoren: Frank Demant
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achtlos weggeworfene Zigarettenschachtel mit deutlichen Fingerabdrücken darauf? Im Staub der Abdruck einer höchst seltenen Schuhmarke, anhand der man den Käufer identifizieren konnte? Allein, Herr Schweitzer mochte nicht so recht daran glauben. Nichtsdestotrotz stapfte er drauflos.
    Zu seiner großen Verwunderung hatten sie die Toilettentür wieder abgeschlossen. Hä? Was sollte das? Außerdem war das Schloss neu. Sah aus, wie gerade erst eingebaut.
    Doch Herr Schweitzer wäre nicht Herr Schweitzer, wenn er sich dadurch in irgendeiner Form hätte beeindrucken lassen.
    Kurz darauf hatte er den Twingo in die Halle gefahren und dem Kofferraum Schraubenschlüssel und Radkreuz entnommen. Der Schraubenschlüssel war am oberen Ende des Griffs abgeflacht, so rutschte er nur selten ab. Allerdings wies das Radkreuz einiges an Gewicht auf. Mehr als fünf Schläge hintereinander waren nicht machbar. Obendrein verstrich die Zeit wegen des Tetrahydrocannabinols eher zäh.
    Schon nach fünf Minuten des Vor-sich-hin-Werkelns verlor Herr Schweitzer die Nerven. Ihm war, als lache der Zylinder ihn höhnisch aus. Er räumte ein wenig Unrat beiseite und fuhr mit dem Twingo rückwärts an die Toilettentür. Geschickt verknotete er das Abschleppseil mit der Klinke. Am Arsch die Ella, dachte er, dir werd ich’s geben. Herr Schweitzer geriet in Schwung. Mit einem selbstgefälligen Grinsen bestieg er sein Auto und gab Gas.
    Schon der erste Versuch saß. Die Tür gab krachend nach. Aha, dachte er, als er sein gelungenes Werk betrachtete. Wer ist hier der Chef? Du, Tür, oder ich, der Raffinierteste unter den Raffinierten? Ich natürlich. Wer sonst?
    Er brauchte nicht zu suchen. An der Wand neben dem Waschbecken stand ein größeres, schmales, sorgfältig verpacktes quadratisches Päckchen. Ein Zettel hing daran.
Hallo Joey, Danke
war darauf zu lesen. Herr Schweitzer konnte damit nichts anfangen. Er kannte keinen Joey. Das Päckchen aber hatte die Form eines Gemäldes.
    Natürlich war er völlig von den Socken. Alles hatte er erwartet, aber das hier mitnichten. Hatten sie ein Bild vergessen? Quatsch, so blöd konnte kein Mensch sein. Außerdem sprach der Zettel eine ganz andere Sprache.
    Hastig holte er den Schraubendreher. Dann hielt er inne. Wenn sich dort drinnen tatsächlich ein Drittel des Diebesgutes befand, dann hatte er es hier mit einem unermesslichen Wert zu tun, den es auf keinen Fall zu mildern galt. So ein Schraubendreher war doch eher ein Werkzeug für Grobmotoriker. Er überlegte. Eine Schere, eine kleine Rasierklinge? Hatte er so etwas im Kofferraum?
    Er ging nachsehen, aber nichts Dergleichen war aufzutreiben. Er überlegte weiter und pendelte dabei zwischen Kofferraum und Abort. Schließlich kramte er seinen Schlüsselbund hervor. Der für den Briefkasten schien ihm geeignet. Vorsichtig und gefühlvoll wie ein Chirurg setzte er ihn am Klebeband an und ritzte eine Furche hinein. Das dauerte. Sie hatten ganze Arbeit geleistet. So, wie das Gemälde verpackt war, hätte es unbeschadet auf einem Pferderücken drei Mal den Erdball umrunden können.
    Steter Tropfen höhlt den Stein. Nach diesem Motto gelangte er schlussendlich an sein Ziel. Herr Schweitzer hielt einen Zipfel zwischen den Fingern. Und dann ging alles ganz einfach. Es war wie Weihnachten. Nur dass ein Holbein eher selten unter dem Christbaum lag. Nicht einmal bei den Reichen dieser Welt. Herrn Schweitzer durchfuhr ein Kribbeln. Ein Kribbeln in der Art wie beim ersten Sex.
    Sein erster Impuls war, sofort seine Maria anzurufen – nicht des erotischen Kribbelns wegen, nein, wegen des Holbein natürlich. Danach Marlon. Er hatte das Handy schon in der Hand. Da kam ihm eine Idee: Um wie viel spektakulärer wäre es, wenn nach der Lösegeldübergabe, bei denen naturgemäß nur zwei der drei Bilder übergeben werden konnten, er höchst heldenhaft mit dem noch fehlenden Gemälde aufwarten konnte, nachdem er sie alle ein wenig hatte zappeln lassen.
Sachsenhäuser Detektiv rettet Holbein
, sah er schon die Presse titeln.
    Einer wie Herr Schweitzer hatte natürlich stets eine Kolter im Kofferraum. Für ein Picknick oder ein Nickerchen im Freien. Fein säuberlich ummantelte er damit das Gemälde, drapierte es auf dem Rücksitz und fuhr los.
    Als er an der Ampel am Baseler Platz stand, hielt neben ihm ein Geldtransporter. Wer hat wohl die wertvollere Fracht geladen, fragte er stumm den Beifahrer, ihr in eurem Panzer oder ich in meinem Kleinwagen?

Samstag, 18:58
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