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Kunstgriff

Kunstgriff

Titel: Kunstgriff
Autoren: Gmeiner-Verlag
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seufzte unwillkürlich. Für derartige Vorstellungen mangelte es ihm an Leidenschaft wie an Erfahrung. Er konnte weder mit Heirat noch Scheidung aufwarten, und die einzige mehrjährige Beziehung seines Lebens – zu einer Ärztin namens Silke – hatte sich ohne größere Turbulenzen einfach aufgelöst. Er war überzeugt, Silke wusste so gut wie er, dass die Beteuerungen, der Arbeitsalltag sei Schuld, vorgeschoben waren. Seitdem glaubte Wolfert daran, zu den Menschen zu gehören, die ihr Leben nicht teilen konnten, und dass Silke ebenfalls diese Begabung fehlte. Deswegen war sie Single geblieben wie übrigens auch Milano. Wolfert war es ein Rätsel, wie manche Menschen es fertig brachten, als Paar zusammenzuleben. Womöglich über Jahrzehnte! Mareike und Ralf Reisinger hatte es ebenfalls nicht geschafft. Das zumindest stand fest.
    Milano patschte mit der flachen Hand auf das Armaturenbrett. »Wir knöpfen uns den Reisinger vor, bis er gesteht. Heute Abend ist der Fall gelöst!«
    Die Ampel am Moltkering zeigte Rot. Wolfert bremste und griff vorsichtig nach dem Schaltknüppel, um nicht gegen Milanos Oberschenkel zu stoßen. »Das glaubst du nicht wirklich, Luigi! Je einfacher es am Anfang aussieht, desto komplizierter wird’s. Wäre schließlich nicht das erste Mal.«
    »Rede den Ärger bloß herbei!«, murrte Milano.
    Kaum sprang die Ampel auf Grün, ging hinter dem Opel eine Hupe los. In einem Streifenwagen passiert dir das nicht, dachte Wolfert, ohne wirklich sicher zu sein. Die Leute benahmen sich immer respektloser. Er ließ die Kupplung sehr, sehr langsam kommen. Milano hatte auf der Rückbank eine Packung Butterkekse entdeckt und zupfte geräuschvoll an dem Papier. In der Parkbucht vor dem Griechen war ein Platz frei. Der Opel war soeben zum Stehen gekommen, als es in der Ablage brummte.
    Kauend reichte Milano das Telefon an Wolfert weiter. »Sema! Geh du ran.«
    Wolfert drückte auf den Lautsprecherknopf. »Luigi hört mit!«
    Die Kollegin von der Spurensicherung klang zufrieden. »Wir sind gut vorangekommen. Ihr könnt davon ausgehen, dass der Parkplatz der Tatort ist. Das Opfer wurde ins Gebüsch geschleppt. Die Blutspuren lassen keinen anderen Schluss zu, aber wir sichern das natürlich noch ab.«
    »Augenblick!«, warf Wolfert ein. »Gehen wir wirklich von Mord aus? Könnte es nicht ein Unfall gewesen sein?«
    »Willst du den Treffer mitten ins Herz ein Versehen nennen? Machst du Witze?«
    Milano kraspelte mit der Kekspackung. »Unser Dirk ist ein Spaßvogel, Mädel. Ist dir das noch nicht aufgefallen?«
    Ihr helles Lachen war zu hören. »Jeden Tag aufs Neue! Hört zu, der Rechtsmediziner lässt die Herren Kommissare lieb grüßen. Gegen unsere vermutete Tatzeit spricht nach seinen Erkenntnissen nichts, und das mit dem Regen habe ich noch einmal prüfen lassen. Demnach starb Peter Metten also am Dienstagmorgen zwischen 7 und 8 Uhr. Und er starb schnell.«
    »Komm mir nicht wieder mit deinem Pfeil«, nuschelte Milano mit vollem Mund.
    Sema verstand ihn trotzdem. »Und ob! Der Doktor zweifelt jedenfalls nicht daran. Der schmale Wundkanal lässt keinen anderen Schluss zu, sagt er. Außerdem befinden sich winzige Holzsplitter in der Wunde. Es ist Lärchenholz, wie die Kriminaltechnik im Vergleich schnell herausfinden konnte: Die bevorzugte Holzart für Jagdpfeile.«
    »So ein Jagdpfeil wirkt tödlich?«, vergewisserte sich Wolfert.
    »Man kann die Wirkung der Pfeilspitze durchaus mit einer Gewehrkugel vergleichen«, bestätigte Sema. »Vorausgesetzt, der Bogenschütze versteht sein Handwerk, wovon wir bei der Treffsicherheit ausgehen können. Der Doktor hat es so erklärt: Bei einem Schuss ins Herz kommt es zu einem starken Blutverlust. Damit wird die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn abgeschnitten. Der Getroffene verliert innerhalb von Sekunden das Bewusstsein und stirbt.«
    »Müssen wir davon ausgehen«, fragte Wolfert und spürte, während er nach den richtigen Worten suchte, ein Kribbeln im Rücken, »dass ein mordender Bogenschütze durch die Wiesbadener Wälder zieht?«
    »Ich jedenfalls verzichte vorerst aufs Joggen. Tschüss, Jungs!«
    Er bedankte sich und legte das Handy zurück. »Wieso hat Sema mit Dr. Vandenberg gesprochen? Das ist gar nicht ihr Part.«
    »Der kurze Dienstweg.« Milano grinste. »An dir geht aber auch alles Zwischenmenschliche vorbei. Die kleine Sema hat was mit unserem Leichendoktor.«
    »Was du nicht alles weißt.«
    Im Stillen wunderte er sich, was die agile Sema an dem blassen
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