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Kunstgriff

Kunstgriff

Titel: Kunstgriff
Autoren: Gmeiner-Verlag
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aufgeblasene Typ. Mir war sofort klar, dass sie Dreck am Stecken hatten. Nur so, zum Spaß, zielte ich auf den Mann. Als das Pärchen davonfuhr, hatte ich ihn immer noch im Visier. Ich wollte ihn nicht töten. Es geschah einfach. Ich habe den Richtigen getroffen, obwohl ich nichts über ihn wusste. Er war ein mieser Krimineller. Das ist der Instinkt des Jägers!«
    Um Anerkennung heischend, suchte er ihren Blick.
    »Und das Bild nahmen Sie mit!«
    Er habe den Wert sofort erkannt, tönte er und kam ins Reden, als wäre er dankbar für ein Gegenüber, dem er sich anvertrauen konnte. »Beim Auspacken traf mich fast der Schlag. Diese Farben, diese Ausdruckskraft! Über das Internet bin ich schnell auf Jawlensky gestoßen. In der Galerie wollte ich mehr über das Bild erfahren. Dort habe ich Nina angetroffen und in ihr das Mädchen vom Parkplatz erkannt. Bald darauf geschah das Unglaubliche: Undine hat sich mir zugewandt.«
    »Weil Sie sich in Undine verliebten, sollte sie den Jawlensky zurückbekommen. Sie durften sich nicht zu erkennen geben, das verstehe ich. Aber warum diese seltsamen Botschaften aus den Titeln von Jawlenskys Werken?«
    »Das ist die dritte Frage. Nun gut, weil Sie mir auf den Leim gegangen sind, will ich großzügig sein und sie trotzdem beantworten. Für ein Leben mit Undine war ich bereit, etwas Wertvolles zu geben und den Jawlensky zu opfern. Sie waren mein Handlanger, Frau Tann.«
    »Warum haben Sie Rico getötet?«
    »Wie dumm Sie fragen! Undine war außer sich vor Sorge um das Bild, und er hat ihre Verzweiflung ausgenutzt und unverschämte Forderungen gestellt. Ohne über das Bild zu verfügen. Ich habe ihn im Wald beobachtet und kannte seine Laufstrecken. Auf der Totholzbrücke legte er immer eine Pause ein. Es war ein leichtes Spiel, und er hat die Strafe verdient.«
    »Die Todesstrafe für einen naiven Erpresser?«
    »Schluss jetzt!« Er zog die Sehne zurück.
    Ninas Finger krallten sich fester um Normas Hand.
    »Nur noch eine Frage!«, flüsterte Norma. »Warum haben Sie Nina hierher gebracht? Das bedeutet ein zusätzliches Risiko.«
    Sein Blick war verständnislos. »Sollte ich das Mädchen in der Badewanne ersäufen? Sie wird durch den Pfeil sterben wie die anderen. Und wie Sie!«
    Hinter Regerts Rücken raschelte es. Norma erspähte die rote Decke. Ein Reh, das sich in die Höhle des Löwen verirrt hatte. Auch Regert hatte das Geräusch vernommen, wagte aber nicht, den Blick von Norma zu lassen.
    Sie zeigte das breiteste Lächeln, das ihr in dieser Situation gelingen konnte. »Endlich! Da sind sie!«
    Regert fuhr herum, im gleichen Augenblick waren Norma und Nina auf den Beinen.
    »Lauf!«, schrie Norma, packte die Klinge, so fest sie konnte, und stürzte sich auf Regert.
    Sie versuchte, sein Gesicht zu treffen. Überall dort, wo er besonders verwundbar war. An der Kehle. In den Augen. Sie hielt sich dicht an seinen Körper, damit er den Bogen nicht einsetzen konnte. Die Pfeilspitze schrammte ihre Hand. Sie spürte keinen Schmerz. In ihr hatte kein anderes Gefühl Raum als ein unbändiger Zorn. Sie traf. Traf noch einmal. Das Blut floss ihm über die geschwärzte Stirn. Er kam ins Taumeln, als er sich über die Augen wischte, und ließ den Bogen fallen. Mit eisernem Griff packte er Norma am Arm und in den Haaren.
    Plötzlich war Nina an ihrer Seite. Sie hielt einen Felsbrocken in beiden Händen, stemmte ihn hoch über den Kopf und schleuderte ihn auf Regert. Im Sturz riss er Norma mit sich. Nina hob den Stein auf und schlug wieder zu. Norma rappelte sich auf. Regert blieb stöhnend am Boden liegen und umfasste den Kopf. Über seine Hände strömte Blut.
    Norma riss Nina zurück. »Genug jetzt! Weg hier!«
    »Ich kann nicht!«
    Norma schüttelte sie. »Was soll das heißen?«
    »Meine Füße! Ich kann nicht gehen!«
    Nina stand vor ihr. Zitternd zwar, aber auf den Beinen.
    »Eben konntest du laufen!«
    »Ich bin gelähmt!«
    Regert fluchte und drückte sich hoch auf die Knie.
    »Nina! Er kommt zu sich!«
    Als sie das Mädchen fortziehen wollte, schlug Nina lang hin. Regert angelte nach ihrem Fußgelenk. Norma trat ihm mit Wucht auf die Hand und riss Nina hoch, um sie unter den Achseln zu packen und mit sich zu zerren. Strauchelnd gewann Nina die Herrschaft über ihren Körper zurück. Es war auch bitter nötig. Regert war ihnen dicht auf den Fersen. Sie hörten sein Ächzen und seinen stoßenden Atem im Rücken.
    Als sie den Herzogsweg erreichten, schaute Nina über die Schulter. »Er ist
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