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Kultur 08: Der Algebraist

Kultur 08: Der Algebraist

Titel: Kultur 08: Der Algebraist
Autoren: Iain Banks
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Geborgenheit und Sicherheit, Menschen, denen du
vertrauen konntest, die dich vielleicht sogar liebten? Was sagst du?
Wie? Was? Nun rede schon.« Der Mann versuchte, den Kopf noch
weiter zu drehen, und dehnte dabei die runzlige Haut um die
Einstichwunden so stark, dass sie an einer Stelle zu bluten anfing.
Der Riesenegel in Lusiferus’ Hand zitterte und streckte die
schleimigen Mundwerkzeuge noch weiter aus, um sich am Fleisch des
Menschen festzusaugen. Doch bevor ihm das tatsächlich gelang,
beugte der Archimandrit den Arm und ließ das Tier
herabhängen. Es schwang und drehte sich mit bebenden Muskeln hin
und her. Man konnte seine Frustration förmlich spüren.
    »Hier ist mein Zuhause, Attentäter«,
erklärte Lusiferus. »Dies ist mein Heim, meine Zuflucht,
und du bist… einfach eingedrungen, hast es mit deinem Anschlag
geschändet… entweiht. Oder hast es zumindest
versucht.« Seine Stimme überschlug sich. »Ich habe dir
mein Haus geöffnet, du hast an meinem Tisch gesessen, ich habe
dich bewirtet… wie es die Gastgeber seit zehntausend
Menschenjahren mit ihren Gästen tun, und du… du hattest
nichts anderes im Sinn, als mir wehzutun, mich zu töten. In
diesem meinem Heim, wo ich mich so sicher fühlen möchte wie
nirgendwo sonst.« Der Archimandrit schüttelte
bekümmert den Kopf, als könnte er so viel Undankbarkeit
kaum fassen. Der Attentäter hatte nur einen schmutzigen Fetzen,
um seine Blöße zu bedecken. Den zog ihm Lusiferus nun weg.
Der Mann fuhr abermals zusammen. Lusiferus betrachtete den nackten
Körper mit starrem Blick. »Man hat dich doch recht
übel zugerichtet, wie?« Die Schenkel des Attentäters
zuckten. Der Archimandrit ließ das Lendentuch zu Boden fallen;
morgen konnte ein Diener es aufheben und wieder befestigen.
    »Ich liebe mein Heim«, erklärte er leise. »Ich
liebe es wirklich. Ich habe alles Nötige getan, um mehr
Sicherheit zu schaffen, mehr Sicherheit für mein Heim, mehr
Sicherheit für alle.« Er näherte den Rüsselegel
den Genitalien des Mannes oder was davon noch übrig war, aber
der Egel wirkte teilnahmslos, und der Mann war bereits
erschöpft. Sogar der Archimandrit hatte den Spaß an diesem
Spiel verloren. Er machte auf dem Absatz kehrt, marschierte auf die
breite Brüstung des Beckens zu, warf den Egel in den Topf, der
dort stand, und schälte sich den dicken Handschuh vom Arm.
    »Und jetzt, Attentäter, muss ich mein Heim
verlassen«, seufzte er dann und schaute in das Becken. Der
Abstruse Spleißer hatte sich wieder zusammengerollt und lag
ruhig auf dem Boden. Nun war er nicht mehr braun, sondern gelblich
grün. Er hatte die Farben des Moosbelags angenommen. Von den
Rüsselegeln waren nur ein paar dunkle Flecken und Streifen an
den Wänden geblieben und ein schwacher würziger Geruch, den
der Archimandrit inzwischen überall erkannt hätte. Das Blut
einer weiteren fremden Spezies. Er wandte sich wieder dem
Attentäter zu. »Ja, ich muss fort, für sehr lange
Zeit. Offenbar bleibt mir keine andere Wahl.« Wieder ging er
langsam auf den Mann zu. »Man kann nicht alles delegieren, und
wenn es um die wirklich wichtigen Dinge geht, kann man letztlich
niemandem vertrauen. Und manchmal, besonders wenn man sehr weit weg
ist und die Nachrichtenübermittlung sehr lange dauert, muss man
einfach selbst an Ort und Stelle sein. Was sagst du dazu? Wie? Eine
schöne Bescherung, findest du nicht? Da mühe ich mich so
viele Jahre lang ab, um mein Heim zu einer festen Burg auszubauen,
und nun muss ich es verlassen, um es noch sicherer, noch
mächtiger, noch stärker zu machen.« Er trat wieder an
den Attentäter heran und berührte einen der gewölbten
Stoßzähne, die sich durch dessen Schädel bohrten.
»Und alles nur, weil Leute wie du mich hassen, weil sie nicht
hören wollen, weil sie nicht tun, was man ihnen sagt und weil
sie nicht wissen, was gut für sie ist.« Er packte den Zahn
und zog daran. Der Mann winselte vor Schmerz durch die Nase.
    »Das stimmt allerdings nicht ganz«, sagte Lusiferus
achselzuckend und ließ den Zahn los. »Denn ob uns diese
Reise wirklich mehr Sicherheit bringt, ist fraglich. Ich fliege in
dieses… dieses Ulubis… System oder was immer es sein mag,
weil es dort etwas geben könnte, das wertvoll ist, weil meine
Ratgeber mir dazu raten und weil mein Geheimdienst
diesbezügliche Informationen gesammelt hat. Natürlich ist
sich niemand sicher, das ist immer so. Aber ich stelle fest, dass
alle deshalb ungewöhnlich aufgeregt sind.« Der
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