Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Titel: Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur
Autoren: Iain Banks
Vom Netzwerk:
scheinbar so
viel, aber in Wirklichkeit nimmt sie nur von uns, greift in die
Persönlichkeitsstruktur aller ein, die ihr angehören, nimmt
ihnen jede Wahlmöglichkeit, ihr Potential, vollkommen gut oder
auch nur ein bißchen schlecht zu sein. Aber Gott, der in uns
allen ist – ja, auch in dir, Diziet, vielleicht sogar im Schiff,
wenn ich mich nicht irre –, Gott, der alles sieht und alles
weiß, der Allmächtige, Allwissende, auf eine Weise, wie es
kein Schiff, kein bloßes Gehirn jemals sein kann, unendlich wissend, dieser Gott läßt uns gewähren, die
armen, leidvollen, fehlbaren Menschen – im weitesten Sinne
–, läßt sogar uns gewähren, die,
die…«
    Es war dunkel in der Gasse, aber ich hätte sie trotzdem sehen
müssen. Ich hörte Linter nicht einmal richtig zu, ich
ließ ihn einfach weiterpredigen, ohne mich auf seine Worte zu
konzentrieren. Deshalb hätte ich sie eigentlich sehen
müssen, aber ich sah sie erst, als es zu spät war.
    Sie tauchten hinter uns auf, stießen einen Mülleimer
um, schrien, rempelten uns an. Linter ließ meinen Ellbogen los,
drehte sich blitzschnell um und sagte – er schrie nicht –
etwas, das ich nicht verstand. Eine Gestalt huschte halbgeduckt zu
mir. Irgendwie wußte ich, ohne es zu sehen, daß mich ein
Messer bedrohte.
    Das Ganze verlief in unglaublicher Klarheit, Gemessenheit. Ich
nehme an, irgendein Sekret hatte in dem Moment die Herrschaft
übernommen, als mein Mittelhirn erkannte, was geschah. Die Gasse
erschien mir auf einmal sehr hell, und alle anderen bewegten sich
langsam und geradlinig, wie an Laserstrahlen oder Fadenkreuzen
entlang, und warfen beladene Schatten vor sich, entlang dieser Linien
und in die Richtung, in die sie sich bewegten.
    Ich trat zur Seite und ließ den Jungen und das Messer an mir
vorbeiziehen. Ich stellte den rechten Fuß vor, packte sein
Handgelenk und drückte es, und er mußte das Messer
loslassen. Er stolperte und stürzte. Ich hatte das Messer in der
Hand und warf es weit in die Gasse hinein, bevor ich mich zu Linter
umdrehte.
    Zwei der Jungen hielten ihn am Boden fest, wo er zappelte und
strampelte. Ich hörte, wie er einmal aufschrie, als ich auf sie
zuging, doch ansonsten erinnere ich mich an keinen Laut. Ob es
wirklich so leise war, wie ich es in Erinnerung habe, oder ob ich
mich einfach nur auf die Sinneswahrnehmungen konzentrierte, die mir
die meisten Informationen einbrachten, weiß ich nicht. Ich
bekam einen von ihnen an den Füßen zu fassen, zog ihn aus
dem Gewühle und dann hoch und ließ sein Gesicht gegen
einen meiner Stiefel krachen, den ich ihm entgegengestreckt hatte.
Ich warf ihn aus dem Weg. Der andere war bereits aufgestanden. Ich
hatte den Eindruck, als ob Striche am Rand meines Sichtfeldes
hochhüpften und blinkten und mich darüber nachdenken
ließen, wie lange der andere wohl brauchen mochte, um wieder
auf die Beine zu kommen und womöglich sein Messer zu holen. Mir
wurde klar, daß ich mich irgendwie anders verhielt, als man
sich in solchen Fällen für gewöhnlich verhält.
Der Mann vor mir machte einen Satz auf mich zu. Ich trat ihm aus dem
Weg und drehte mich wieder um. Ich schlug ihm auf den Kopf,
während ich zu dem ersten zurückblickte, der bereits auf
den Beinen war und sich näherte, jedoch neben dem, den ich als
zweiten niedergeschlagen hatte, zögerte; dieser taumelte gegen
eine Wand und hielt sich das Gesicht, wo sich dunkles Blut auf
blasser Haut zeigte.
    Sie rannten zusammen los, wie von der Tarantel gestochen.
    Linter schwankte, versuchte, ins Gleichgewicht zu kommen. Ich fing
ihn auf, und er klammert sich an mich, hielt meinen Arm mit festem
Griff und atmete keuchend. Er stolperte und sackte zusammen, als wir
das rote und weiße Licht vor dem kleinen Restaurant erreichten.
Ein Mann, der sich eine Serviette in den Ausschnitt seiner Weste
gesteckt hatte, öffnete die Tür und musterte uns.
    Linter stürzte auf der Schwelle. Erst in diesem Moment fiel
mir das Terminal ein, und ich merkte, daß Linter sich oben an
meinen Mantel krallte, wo die Terminal-Brosche steckte. Der Geruch
nach Essen drang durch die geöffnete Tür heraus. Der Mann
mit der Serviette blickte aufmerksam die Gasse auf und ab. Ich
versuchte, Linters Finger zu lösen.
    »Nein«, sagte er. »Nein.«
    »Dervley, laß los. Laß mich das Schiff
rufen.«
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf. Schweiß stand
ihm auf der Stirn, seine Lippen waren blutig. Ein großer
dunkler Fleck breitete sich auf dem ockerfarbenen Mantel aus.
»Laß mich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher