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Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Titel: Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur
Autoren: Iain Banks
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getan?« Wir blieben an einer
weiteren Straßenkreuzung stehen. Die Menschen hasteten an uns
vorbei, eilten durch den Gestank von verbranntem Benzin und Essen und
verfaulenden Speisen. Ich roch Gas, und manchmal hüllte uns
Dampf ein, feucht und duftend.
    »Warum ich es nicht getan habe?« erwiderte Linter
nachdenklich, wobei er den Blick auf das rote Licht der
Fußgängerampel gerichtet hielt. »Ich kam zu dem
Schluß, daß ich damit nichts Gutes erreichen würde.
Und ich hatte Angst, das Schiff würde sich etwas einfallen
lassen, um mich nicht mehr von Bord zu lassen. Glaubst du, daß
das töricht von mir war?«
    Ich sah ihn an, während der Dampf um uns herumwirbelte und
die Ampel auf Grün schaltete, doch ich sagte nichts. Auf dem
gegenüberliegenden Gehsteig trat ein alter Mann an uns heran,
und Linter gab ihm einen Vierteldollar.
    »Aber ich komme auch allein gut zurecht.« Wir bogen in
den Broadway ein und gingen in Richtung Madison Square, vorbei an
Läden und Büros, Theatern und Hotels, Bars und Restaurants
und Wohnblocks. Linter legte mir den Arm um die Taille und
drückte mich.
    »Also ehrlich, Dizzy, du bist ziemlich wortkarg.«
    »Stimmt. Bin ich.«
    »Ich vermute, du hältst mich immer noch für
dumm.«
    »Nicht für dümmer als die Einheimischen.«
    Er lächelte. »Es sind wirklich gute Leute. Was du nicht
verstehst, ist, daß man Verhalten ebenso wie Sprache
übersetzen muß. Wenn du das einmal erkannt hast, dann
wirst du diese Leute ebenso lieben wie ich. Manchmal habe ich den
Eindruck, daß sie mit ihrer Technologie besser umzugehen wissen
als wir, weißt du das?«
    »Nein.« Nein, das wußte ich nicht, hier in dieser
Hackmaschinen-, Fleischwolf-Stadt. Damit umgehen können, ja
sicher… Schalte den Ziel-Computer aus, Luke; spiel mir das Lied
vom Tod; schließ die Augen und konzentriere dich, so geht
das… Niemand hier außer uns Schlaubergern… Gib mir
den Orgon-Kasten…
    »Meine Worte erreichen dich nicht, stimmt’s, Dizzy? Du
verschließt dich, bist gar nicht richtig hier. In Gedanken hast
du dieses System bereits verlassen, nicht wahr?«
    »Ich bin einfach müde«, erklärte ich ihm.
»Sprich weiter.« Ich kam mir vor wie eine hilflose,
zuckende, rosaäugige Ratte, gefangen im Labyrinth eines
glänzenden fremdweltlichen Labors; riesig groß und
glitzernd und einem tödlichen, unmenschlichen Zweck dienend.
    »Die Leute hier machen ihre Sache recht gut, wenn man alles
bedenkt. Ich weiß, daß viele schreckliche Dinge
passieren, aber sie erscheinen uns nur deshalb so schrecklich, weil
wir ihnen soviel Aufmerksamkeit widmen. Der größte Teil
der guten Vorkommnisse ist keine Schlagzeile wert, wir nehmen sie gar
nicht wahr. Wir sehen nicht, wie gut es den meisten dieser
Menschen geht. Ich habe eine ganze Menge glücklicher Leute
getroffen, weißt du; ich habe Freunde, die ich durch meine
Arbeit kennengelernt habe.«
    »Deine Arbeit?« Das interessierte mich
tatsächlich.
    »Ha ha. Das habe ich mir gedacht, daß das Schiff dir
davon nichts gesagt hat. Ja, seit einigen Monaten habe ich einen Job;
ich übersetze Schriftstücke für eine große
Anwaltskanzlei.«
    »Aha.«
    »Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, viele Leute führen
ein ganz angenehmes Leben, genauer gesagt, es geht ihnen
ausgezeichnet. Die Menschen können hübsche Wohnungen haben,
Autos fahren, Urlaub machen… Und die Menschen können Kinder
bekommen. Das ist etwas sehr Gutes, weißt du; man sieht
auf einem Planeten wie diesem sehr viel mehr Kinder als anderswo. Ich
mag Kinder. Du nicht?«
    »Doch. Ich dachte, jeder mag sie.«
    »Ha, na ja… jedenfalls… in mancher Hinsicht
würden uns diese Leute für rückständig halten,
was sagst du dazu? Ich weiß, daß sich das vielleicht
blödsinnig anhört, aber das ist es nicht. Denk doch nur mal
an die Transportmittel; das Fluggerät, über das ich auf
meiner Heimatplattform verfügte, hat bereits drei oder vier
Generationen überdauert, ist fast eintausend Jahre alt! Die
Menschen wechseln ihre Autos jedes Jahr! Sie haben
Müll-Container und Wegwerf-Kleidung und eine Mode, die verlangt,
daß man jedes Jahr neue Sachen braucht, in jeder
Saison…«
    »Dervley…!«
    »Im Vergleich zu ihnen bewegt sich die Kultur im
Schneckentempo!«
    »Dervley, worüber wolltest du mit mir
sprechen?«
    »Hm? Wollte ich über etwas sprechen?« Linter sah
verwirrt aus. Wir bogen nach links in die Fifth Avenue ein.
»Ach, nichts Besonderes, glaube ich. Ich habe mir nur gedacht,
es wäre nett, dich vor deiner
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