Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Titel: Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur
Autoren: Iain Banks
Vom Netzwerk:
Geschichte.«
    »Ach, lies doch ein Buch!« murmelte Mc9 und kuschelte
sich ins Stroh.
    Der kleine Gefährte gab einen zischenden Ton von sich und
lehnte sich zurück, die Lippen fest zusammengepreßt und
die kleinen Hände in den Armkuhlen vergraben. Er starrte auf die
Straße, die sich bis zum wabernden Horizont erstreckte.
    Nach einer Weile zuckte der Gefährte die Achseln, griff unter
den Weinschlauch, wo seine Mappe lag, und holte ein kleines, dickes
schwarzes Buch hervor. Er stieß Mc9 erneut an. »Wir haben
nur diese Bibel«, bemerkte er. »Welchen bißchen
sollen mich lesen?«
    »Schlage einfach aufs Geratewohl eine Stelle auf«,
murmelte Mc9 aus dem Schlaf.
    Der Gefährte schlug die Bibel aufs Geratewohl auf, Kapitel
sechs, und las:
     
»Ja, ja, ja, wahrlich ich sage euch: Vergeßt
nicht, daß jede Geschichte zwei Seiten hat, eine
richtige Seite und eine falsche Seite.«
     
    Sein Gefährte schüttelte den Kopf und warf das Buch
über die Seite des Karrens.
    Die Straße ging ewig weiter. Der Kutscher röchelte und
schnarchte, das schwitzende Zugtier keuchte und mühte sich ab,
während Mc9 im Schlaf lächelte und ein wenig stöhnte.
Sein Gefährte vertrieb sich die Zeit damit, sich Mitesser aus
der Nase zu drücken und sie dann wieder einzusetzen.
    … sie hatten an der Furt durch den schattigen Bach
angehalten, wo sich die Mägde schließlich zu einem Bad
überreden ließen, mit nichts anderem bekleidet als ihren
dünnen, an der Haut klebenden…
    Eigentlich war das pferdähnliche Tier, das den Karren zog,
die berühmte Dichterin Abrusci vom Planeten Nuneristauf- meiner- kartenichtbenanntleutnant, und sie hätte dem
gelangweilten Gefährten jede Menge mitreißender
Geschichten aus der Zeit vor der Befriedung und Befreiung ihrer
Heimatwelt durch das Imperium erzählen können.
    Sie hätte ihnen auch erzählen können, daß
sich die Stadt mit der gleichen Geschwindigkeit über das
Hochmoor von ihnen entfernte, wie sie sich darauf zubewegten,
über die endlose Heide auf ihren Millionen von riesigen
Rädern dahinrollend, während der fortwährende
Nachschub an besiegten Feinden des Imperiums immer neue Trophäen
lieferte, die ihren Platz im Beton der berühmten Straße
der Schädel erhielten…
    Aber das ist, wie man so sagt, eine andere Geschichte.

 
Ein Geschenk der Kultur
     
     
     
     
     

 
    Geld ist ein Zeichen von Armut. Das ist eine alte
Kultur-Redewendung, an die ich mich hin und wieder erinnere,
besonders wenn ich in Versuchung gerate, etwas zu tun, das ich, wie
ich weiß, nicht tun sollte, und bei dem es um Geld geht (wobei
geht es nicht darum?).
    Ich betrachtete die Pistole, die klein und mit der Ausstrahlung
von Präzision in Cruizells breiter, narbenübersäter
Hand lag, und der erste Gedanke, der mir in den Sinn kam –
nachdem ich gedacht hatte: wo, zum Teufel, haben sie eine von diesen Dingern aufgetrieben –, war: Geld ist ein Zeichen
von Armut. Wie angemessen dieser Gedanke auch gewesen sein mochte, er
war keine große Hilfe.
    Ich stand vor einem Spielclub, in dem kein Kredit gewährt
wurde, in der Unterstadt von Vreccis in den frühen Morgenstunden
eines regnerischen Wochenendes und betrachtete eine hübsche,
spielzeugartige Pistole, während zwei große Typen, denen
ich eine Menge schuldete, von mir verlangten, daß ich etwas
außerordentlich Gefährliches und schlimmer als Illegales
tun sollte. Ich wog die Verlockungen eines Fluchtversuchs (sie
würden mich erschießen), einer Weigerung (sie würden
mich zusammenschlagen; vermutlich würde ich die nächsten
Wochen damit zubringen, eine beträchtliche Krankenhausrechnung
entstehen zu lassen) und der Erfüllung von Kaddus’ und
Cruizells Forderung gegeneinander ab, wohl wissend, daß die
wahrscheinlichste Folge – obwohl es auch eine Chance gab,
daß ich nicht erwischt wurde und unverletzt und wieder
zahlungsfähig aus der Sache hervorging – ein
unappetitlicher und vermutlich langsamer Tod wäre, während
ich den Sicherheitsbehörden bei ihren Ermittlungen dienlich
wäre.
    Kaddus und Cruizell boten mir einen Erlaß meiner
Gesamtschuld an und zusätzlich – nach Erledigung der
Angelegenheit – eine ordentliche Summe obendrein, nur um zu
zeigen, daß sie mir nicht mehr böse waren.
    Ich vermutete, sie rechneten nicht damit, daß sie letzten
Endes die gesamten Kosten für die Durchführung der
Unternehmung bezahlen mußten.
    Ich wußte also, was ich logischerweise zu tun hatte,
nämlich ihnen zu sagen, sie sollten sich ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher