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Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Titel: Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur
Autoren: Iain Banks
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Aufgeblasene Widerlinge, der ganze Haufen. Sie
verdienten den Tod (wenn man diese Auffassung vertreten wollte), aber
warum mußte ich es sein, der sie tötete? Gottverdammte
phallische Raumschiffe!
    Nicht daß die V-Bahn weniger penisgleich aussah, und
außerdem zweifelte ich nicht daran, daß Kaddus und
Cruizell, wenn der Admiral mit der Bahn angekommen wäre, mich
angewiesen hätten, diese abzuknallen; verfluchte
Scheiße. Ich schüttelte den Kopf.
    Ich hielt ein großes Glas mit Jahl in der Hand – der
billigste hochprozentige Fusel in Vreccis. Es war mein zweites Glas,
aber ich genoß es nicht. Die Pistole plapperte weiter und
sprach zu dem spärlich möblierten Hauptraum unserer
Wohnung. Ich wartete auf Maust und sehnte mich noch mehr nach ihm als
gewöhnlich. Ich warf einen Blick auf das Terminal an meinem
Handgelenk; nach der Zeitanzeige müßte er jetzt jeden
Moment zurückkommen. Ich sah hinaus in das schwache,
wäßrige Licht des Morgengrauens. Ich hatte bis jetzt noch
nicht geschlafen.
    Die Waffe redete weiter. Sie sprach natürlich Marain, die
Sprache der Kultur. Ich hatte sie seit fast acht Standardjahren nicht
mehr gehört, und als ich sie jetzt vernahm, war ich traurig und
kam mir gleichzeitig töricht vor. Mein Geburtsrecht; mein Volk;
meine Sprache. Acht Jahre in der Fremde, acht Jahre in der Wildnis.
Mein großes Abenteuer, mein Verzicht auf etwas, das mir steril
und leblos vorkam, um mich in eine lebendigere Gesellschaft zu
stürzen, meine großartige Geste…
    Nun ja, jetzt erschien sie wie eine leere Geste, jetzt sah die
ganze Unternehmung wie eine dumme Laune aus.
    Ich trank noch mehr von dem scharf schmeckenden Schnaps. Die
Pistole quasselte weiter, erzählte etwas von
Strahlverbreitungs-Maß, gyroskopischen Webmustern,
Gravitationskontur-Modus, Sichtlinien-Modus, Kurvenschüssen,
Sprüh- und Durchbohrungsfähigkeiten… Ich erwog, meine
Drüsen etwas Angenehmes und Kühles produzieren zu lassen,
sah aber davon ab; vor acht Jahren hatte ich das Gelübde
abgelegt, von diesen raffiniert veränderten Drüsen keinen
Gebrauch mehr zu machen, und ich hatte dieses Gelübde nur
zweimal gebrochen, und in beiden Fällen war es unter dem
Einfluß heftiger Schmerzen geschehen. Wenn ich mutig gewesen
wäre, hätte ich mir das ganze verdammte Zeug herausnehmen
und mich in den menschlichen Normalzustand zurückversetzen
lassen, gemäß unserem ursprünglichen animalischen
Erbe… Aber ich bin nicht mutig. Ich habe entsetzliche Angst vor
Schmerzen, und ich kann mich ihnen nicht ungeschützt aussetzen,
wie es diese Leute hier können. Ich bewundere sie, fürchte
sie, und kann sie dennoch nicht verstehen. Nicht einmal Maust.
Genauer gesagt, Maust am allerwenigsten. Vielleicht kann man niemals
etwas lieben, das man vollkommen versteht.
    Acht Jahre im Exil, acht Jahre für die Kultur verloren, ohne
je diese seidenweiche, feine, kompliziert-einfache Sprache zu
hören, und jetzt, da ich nach so langer Zeit Marain höre,
wird es von einer Waffe gesprochen, die mir erzählt, wie ich sie
zu bedienen habe, damit ich töten kann… wen? Hunderte von
Leuten? Vielleicht Tausende? Es wird davon abhängen, wo das
Schiff abstürzt, ob es explodiert. (Können primitive
Raumschiffe überhaupt explodieren? Ich hatte keine Ahnung, das
war nie mein Fachgebiet.) Ich kippte noch einen Drink in mich hinein
und schüttelte den Kopf. Ich konnte es nicht.
    Ich bin Wrobik Sennkil, Vreccilischer Bürger Nummer…
(ich vergesse es ständig; es steht in meinen Papieren),
männlich, Ur-Rasse, dreißig Jahre alt; freiberuflicher
Teilzeit-Journalist (zur Zeit ohne Beschäftigung), und
Vollzeit-Spieler (ich neige zum Verlieren, aber ich habe Spaß
dabei, zumindest bis letzte Nacht). Aber außerdem bin ich auch
noch Bahlln-Euchers Wrobich Vress Schennil dam Flayssee, Bürger
der Kultur, von Geburt weiblich, Rasse: zu gemischt, um
zurückverfolgt zu werden, achtundsechzig Jahre alt,
Standardmaßstab, und zeitweise Mitglied der
Kontakt-Sektion.
    Und ein Abtrünniger. Ich habe mich dafür entschieden,
die Freiheit auszuleben, die die Kultur mit soviel Stolz ihren
Einwohnern gewährt, indem ich mich vollkommen aus ihr abgesetzt
habe. Man ließ mich gehen, war mir sogar behilflich, obwohl ich
zögerte, die Hilfe anzunehmen. (Aber hätte ich selbst meine
Papier fälschen, alle nötigen Vorbereitungen in die Wege
leiten können? Nein; aber immerhin, nach meiner Umerziehung zu
dem Lebensstil der Vreccilischen Wirtschaftsgemeinschaft und nach
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