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Küstenfilz

Küstenfilz

Titel: Küstenfilz
Autoren: H Nygaard
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fiel ihr
Lüder ins Wort.
    Die Verblüffung drückte sich in einer kurzen Pause
aus, bevor Frauke Dobermann weitersprach.
    »Wir haben daraufhin den Mann aufgesucht.«
    Lüder war über diese Vorgehensweise nicht erfreut.
Sicher, er wollte Senkbiel auch verhören, aber erst, wenn die Kriminaltechnik
fundierte Informationen zu Bauweise und eingesetztem Material der Briefbombe
liefern konnte. Mit diesem Wissen war dem Mann, wenn er zum Täterkreis gehören
sollte, eher beizukommen. Senkbiel war schon früher straffällig geworden und
hatte als Mitläufer der autonomen Zellen Erfahrungen in Verhörsituationen
sammeln können. Da wäre es von Vorteil gewesen, ihm mit mehr Informationen
gegenüberzutreten.
    »Ich bin der Auffassung, dass Sie in diesem Punkt voreilig
gehandelt haben. Eine Abstimmung mit mir wäre der Sache dienlich gewesen.«
    Frauke Dobermann ließ sich durch diesen Einwand nicht
irritieren. »Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass ein schnelles Handeln und
das Verfolgen einer möglicherweise heißen Spur der richtige Ansatz ist. Falls
es Sie beunruhigen sollte, kann ich Ihnen aber versichern, dass Senkbiel als
potenzieller Täter kaum in Frage kommt. Er liegt seit mehreren Wochen mit einer
komplizierten Kniefraktur, die er sich bei Renovierungsarbeiten in seiner
Wohnung zugezogen hat, im Kreiskrankenhaus in Rendsburg. Er dürfte somit aus
dem Kreis der Tatverdächtigen ausscheiden.«
    Lüder zweifelte nicht an der Gründlichkeit, mit der
die Hauptkommissarin diese Angaben geprüft haben würde. Trotzdem fragte er
nach.
    »Hat er eventuell Urlaub im Krankenhaus gehabt? Liegt
er in einem Einzelzimmer?«
    Er hörte ein gurrendes Lachen in der Leitung.
    »Wir erledigen unsere Arbeit sorgfältig. Natürlich
haben wir das geprüft. Nein! Der Mann hat das Krankenhaus in der Zwischenzeit
nicht verlassen. Dazu wäre er auch nicht in der Lage. Und in einem Separee, in
dem er heimlich Bomben basteln kann, liegt er auch nicht. Senkbiel ist
beschäftigungslos und Hartz- IV -Empfänger.
Aufgrund seiner Vergangenheit dürfte er auch nicht vermittelbar sein. So hat er
seinen Krankenhausaufenthalt in einem Mehrbettzimmer zugebracht. Eine Erholung
ist das nicht. Als wir ihn heute im Hospital aufgesucht haben, war die
Großfamilie seines anatolischen Bettnachbarn zu Besuch.«
    »Hat Ihre Befragung sonst etwas ergeben?«
    »Nein! Senkbiel gab vor, von den Ereignissen noch
nichts gehört zu haben. Er hat fast begierig versucht, uns Einzelheiten zu
entlocken. Mit Straftaten will er schon seit seinem damaligen Lossagen von der
Szene nichts mehr zu tun gehabt haben.«
    »Wie ist Ihre weitere Vorgehensweise?«
    »Das kann ich noch nicht sagen. Unsere Spurensicherung
hat den Tatortbericht und das Material an das LKA abgegeben. Da ich davon ausgehen muss, dass in Kiel erst wieder am Montag
gearbeitet wird, müssen wir versuchen, auf konventionelle Art nach Hinweisen zu
suchen. Ich wünsche Ihnen jedenfalls ein ruhiges und beschauliches Wochenende
im Kreise Ihrer Familie«, schloss sie das Telefonat mit spitzer Stimme.
    Das wollte Lüder sich nicht nehmen lassen.

ZWEI
    Die Doppelseite der
Zeitung lag ausgebreitet auf Lüders Schreibtisch. Während er den Artikel las,
suchte seine Hand die Kaffeetasse, die neben dem Boulevardblatt mit den großen
Buchstaben im Titel stand. Automatisch führte er das Trinkgefäß an den Mund und
nahm einen Schluck.
    Am Sonnabend war nur
ein kurzer Artikel im Innenteil der großen Blätter erschienen. Lediglich die
»Schleswiger Nachrichten« hatten das Bombenattentat groß herausgebracht. Jetzt
fand er unter einer breiten Überschrift auf dem Boulevardblatt den Text: AUFERSTEHUNG DER BOMBENLEGER ? Darunter
war ein schlechtes Bild von Harry Senkbiel zu sehen, auf dem das Gesicht mit
einem schwarzen Balken unzureichend verdeckt war.
    Der Artikel umfasste
nur wenige Sätze. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob der ehemalige
»Bombenexperte der RAF « rückfällig
geworden sei. Weiterhin wurden abenteuerliche Mutmaßungen darüber angestellt,
für wen Senkbiel den Sprengsatz gebastelt haben könnte, nachdem die Zeitung
keinen Zweifel daran ließ, dass sie ihn für den Urheber hielt. Logischerweise
führten die Vermutungen der Zeitung in den Nahen Osten und nach Afghanistan.
    Lüder legte das
Papier angewidert zur Seite. Natürlich verfügten auch die Zeitungsredaktionen
über umfangreiche Archive und waren bei ihrer Recherche auf die gleiche Spur
gestoßen, die die Flensburger Mordkommission und er selbst
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