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Kuessen kann schon mal passieren

Kuessen kann schon mal passieren

Titel: Kuessen kann schon mal passieren
Autoren: Susanne Fuelscher
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Pelzmänteln umherspazierten, kläffende Köter in bunten Hundejäckchen an der Leine führten und um die Mittagszeit lässig einen Aperitif im Stehen tranken. An jeder Ecke gab es Bars, wo die Espressomaschinen von morgens bis abends zischten und die Baristi cremigen Cappuccino servierten. Eine Tasse – und ich war nicht nur süchtig, sondern konnte auch endlich Lucas Abneigung gegen mein grässliches Gebräu nachempfinden. Am liebsten mochte ich allerdings die bauchig belegten Sandwichs, die Tramezzini hießen und so köstlich waren, dass man beim Essen kaum anders konnte, als unentwegt zu seufzen. Zum Glück hatte Onkel Paul uns eine Extra-Finanzspritze zukommen lassen, andernfalls hätte ich bei den vielen Zwischenstopps in den Bars, wo wir schnell eine Brioche , ein Törtchen oder einen Tramezzino hinunterschlangen, ein schlechtes Gewissen bekommen.
    Wir wohnten in einem kleinen Hotel im Herzen Venedigs. Das Zimmer, kaum mehr als fünf Quadratmeter groß, war mit dem breiten Ehebett nahezu ausgefüllt, die Wände mit rot-golden gemustertem Stoff bespannt. Das Muster setzte sich auf dem Bettüberwurf und Teppich fort, so dass die Ornamente abends, wenn ich neben Mama im Bett lag, vor meinen Augen zu tanzen begannen. Der Duschkopf war kaputt, der Vorhang schimmelig und über uns liebte sich ein Pärchen jede Nacht lautstark, aber mich störte das alles herzlich wenig.
    Ganz im Gegenteil: Ich fühlte mich wie im Paradies. Die Stadt war so unwirklich und doch konnte ich sie riechen, schmecken und fühlen. Bei erträglichen sieben Grad spazierten wir in unserem Vierergrüppchen stundenlang kreuz und quer durch die Gassen, bis wir jede Kirche und jeden Kanal zu kennen glaubten. Wir verliefen uns dauernd und ignorierten, dass wir selbst in unseren bequemen Laufschuhen Blasen bekamen. Zum Glück hatten wir Luca und Anna dabei, die uns sprachlich aus der Patsche helfen konnten, wenn wir wieder mal auf einem Platz standen, der in einem anderen Sonnensystem zu liegen schien.
    Am dritten Tag wollten Mama und Anna in die Accademia , eine Gemäldegalerie mit lauter alten Schinken von Tiepolo, Tintoretto und Tizian. Luca und ich hatten keine Lust auf Museumsmief. Wir begleiteten unsere Mütter bis zur hölzernen Accademia -Brücke, dann schlenderten wir weiter zur Zattere , der Uferstraße am Canale della Giudecca .
    Als wir noch ein glückliches Vierergespann gewesen waren, hatte Filippos Vater uns von der Gelateria Nico vorgeschwärmt, wo es seiner Ansicht nach das beste Eis der Welt gab. Gianduiotto hieß es, ein Nougateis, das mit einer großen Sahnehaube im Glas serviert wurde. Einmal links die schmale Gasse runter, dann wieder rechts, schon waren wir an der Promenade, wo die Eisdiele nach circa 200 Metern linker Hand auftauchte. Obwohl wir den 11. November hatten, schien die Sonne so mild, dass wir es wagten und uns nach draußen setzten.
    Â»Du bestellst jetzt aber kein Vanilleeis!«, herrschte Luca mich an.
    Ich wagte es nicht, mich seinem Befehl zu widersetzen, musste es allerdings auch nicht bereuen. Filippos Vater hatte Recht: Das Gianduiotto schmeckte nach einer Dosis puren Glücks.
    Wir redeten über unsere Exbeziehungen und wie es sich anfühlte, so ganz ohne zu sein. Luca fühlte sich immer noch wie amputiert, wollte jedoch nichts mehr mit Jade zu tun haben.
    Â»Ach, Luca«, seufzte ich nur und blickte zur Giudecca -Insel gegenüber, wo rot getünchte Häuser dicht aneinandergeschmiegt standen. Ich konnte ihn so gut verstehen, hatte aber nach und nach einsehen müssen, dass Davids Cousin vielleicht tatsächlich der Richtige für sie war. Seit der Halloween-Geburtstagsparty hatte Jeff sie so oft besucht, wie er nur konnte. Dabei vergnügten sie sich – oh Wunder – nicht bloß in der Horizontalen, sondern bereiteten unter Hochdruck eine neue Aktion vor. Wogegen, war mir bisher ein Rätsel geblieben. Vielleicht gab es sie ja doch, die große Liebe. Aber der Gedanke flackerte immer nur sekundenweise auf, dann musste ich an Mama oder Anna Pisani denken und die Seifenblase machte sofort wieder ›puff‹.
    Luca tickte mich mit dem langstieligen Eislöffel an. »Und du? Vermisst du Filippo?«
    Â»Nicht so richtig«, antwortete ich ehrlich. Kaum zwei Wochen waren seit unserer Trennung vergangen, aber der Schmerz hatte sich schneller als der Morgennebel über den
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