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Kuessen kann schon mal passieren

Kuessen kann schon mal passieren

Titel: Kuessen kann schon mal passieren
Autoren: Susanne Fuelscher
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Schule fahren ließ, und fand Leute, die sich in Flugzeuge setzten, komplett daneben. Auf einer Skala von eins bis zehn lag Jades Nervfaktor bei 6,5. Der des Neuen allerdings bei 9,5. Mindestens. Und das war weitaus schlimmer.
    ***
    Als ich am frühen Nachmittag in unsere Straße bog, parkte ein Möbelwagen mit den Ausmaßen eines Schlachtschiffes in unserer Straße. Man hätte damit problemlos Elefanten, Walrosse und Dinosaurier transportieren können.
    Neugierig radelte ich näher und stieg ab, um mir die auf den Bürgersteig gespuckten Möbel genauer anzusehen: eine quietschgelbe Ledercouch, zwei Sessel in Leopardenoptik, Küchenstühle in allen Regenbogenfarben, ein Couchtisch mit wuchtigen Chrombeinen, silbrig lackierte Regalbretter und Zimmerpflanzen, die aussahen, als wären sie im Urwald geklaut worden. Bei uns zu Hause gab es keinen Schnickschnack, keinen Farbschock, keine tuschkastenbunten Möbel. Alles war schlicht – Holzmöbel, eine dunkelblaue Couch –, eben zeitlos schön, wie Mama immer sagte. So konnte man auch noch in zehn Jahren wohnen, zumal wir nicht zu den Leuten gehörten, die im Geld schwammen.
    Gequäke drang aus dem Innern des Wagens. Die Stimme röhrte, versemmelte die Töne, wechselte in einen schrillen Sopran, bevor es erdrutschartig in die Tiefe ging. Ich wollte gerade auf dem Absatz kehrtmachen – der Singsang war wirklich total daneben –, als ein dunkelhaariger Typ an der Ladeklappe auftauchte.
    Luca. Der Neue. In seinem Arm hielt er einen Kaktus und sah dabei so bescheuert aus, dass ich fast schon wieder lachen musste.
    Â»Was … was hast da?« Eigentlich hatte ich fragen wollen, was zum Teufel er hier zu suchen hatte, aber mein Gehirn hatte meinem Sprachzentrum schlicht die falschen Informationen übersandt.
    Â»Einen Kaktus? Ja, ich glaube, die Pflanze hier nennt man Kaktus«, antwortete Luca, indem er nur einen Mundwinkel leicht nach oben bewegte.
    Â»Und was machst du mit dem Kaktus?«
    Â»Einziehen. Da.« Er deutete auf den Wohnblock direkt gegenüber von uns. »Ich und mein Kaktus.«
    Â»Du und dein Kaktus, ihr zieht da ein?«, wiederholte ich, als hätte ich plötzlich einen Dachschaden.
    Â»Ja, genau das tun wir. Und dann leben wir glücklich bis zu unserem Lebensende. Also ich und mein Kaktus.«
    Â»Dann mal viel Spaß mit deinem Kaktus«, sagte ich, überquerte die Straße und schob mein Rad eilig auf den Hinterhof.
    Den Schock, dass der Blödmann mit der großen Klappe und den gegelten Haaren direkt bei uns gegenüber einzog, musste ich erst mal verdauen. Unser Örtchen hatte an die 3 0 000 Einwohner, ein Schloss, ein Kino, ein Theater – wieso um Himmels willen musste der Typ ausgerechnet in meinem kleinen Universum stranden? In der Rankestraße. Dort, wo sich sonst nur Hase und Igel Gute Nacht sagten. Wütend über das Schicksal, das mir so übel mitspielte, versuchte ich mein Rad anzuschließen, doch meine Hände zitterten wie Espenlaub.
    Â»Scheißding!«, schimpfte ich und mühte mich verzweifelt mit der Kette ab.
    Ich hörte Schritte und fuhr herum. Luca war mir nachgeschlichen und grinste, als wäre ein sperriges Fahrradschloss eine total witzige Angelegenheit. »Schloss kaputt?«, fragte er.
    Â»Keine Ahnung«, gab ich unwirsch zurück. »Du singst übrigens wie ein Hund mit Vollklatsche.«
    Â»Weiß ich. Aber die Ärzte weigern sich mir neue Stimmbänder einzusetzen.«
    Â»Dann kauf dir welche im Discounter und tausch sie selbst aus.«
    Â»He, he, ganz schön frech!«
    Â»Ist angeboren. Kleiner Gendefekt«, brummte ich und wandte mich wieder dem Fahrrad zu.
    Eine Weile herrschte Schweigen, dann bückte sich Luca, so dass unsere Köpfe auf einer Höhe waren. »Sorry, dein Name ist mir irgendwie entfallen«, sagte er und ich konnte seinen Spearmint-Atem riechen. »Wie, äh, wie heißt du noch mal?«
    Â»Wie-äh-wie-heißt-du-noch-mal will jetzt nicht gestört werden. Wie-äh-wie-heißt-du-noch-mal muss jetzt nämlich dieses dämliche Rad anschließen.«
    Â»Lass mich mal machen, Wie-äh-wie-heißt-du-noch-mal.« Bevor ich protestieren konnte, drängte Luca mich beiseite, ging vor dem Rad in die Hocke und öffnete das Schloss mit zwei Handgriffen.
    Â»Luisa! Du heißt Luisa.« Er kam wieder hoch, die Stirn in Dackelfalten
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