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Küsse, die "Verzeih mir" sagen

Küsse, die "Verzeih mir" sagen

Titel: Küsse, die "Verzeih mir" sagen
Autoren: Rebecca Winters
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später stellte Annie den Wagen auf dem Parkplatz vor ihrem Apartment ab. „Ich koche uns etwas Schönes, und ihr könntet schon mal mit den Hausaufgaben anfangen“, sagte sie auf dem Weg zur Haustür.
    Sie aßen immer früh zu Abend, denn Roberta war völlig ausgehungert, wenn sie aus der Schule kam. Das lag wahrscheinlich daran, dass sie die Pausenbrote, die Annie ihr einpackte, so gut wie nie anrührte. Erst vor Kurzem war Annie dahintergekommen, warum: Offenbar zeigten die strengen Anti-Mobbing-Regeln in Robertas Schule keine Wirkung, denn Kinder, die selbst gemachte Pausenbrote mitbrachten statt der fertig abgepackten einer bestimmten Marke, wurden ausgelacht.
    Annie war ziemlich aufgebracht gewesen, als Roberta endlich damit rausrückte, aber sie hatte nachgegeben und ihr die angesagten Snacks gekauft. Auch in der Schulmensa aß Roberta nicht gern – offenbar war die Frau an der Ausgabetheke immer so unfreundlich, dass Roberta lieber auf ein Mittagessen verzichtete.
    So unerschrocken sie war, wenn es darum ging, andere Menschen zu verteidigen, so schüchtern konnte sie sein, wenn es um sie selbst ging. Ob es letztlich daran lag, dass sie ohne Vater aufgewachsen war?
    Wie immer, wenn sie an Robert dachte, durchzuckte Annie ein scharfer Schmerz. Die Erinnerung an jenen furchtbaren Tag in Kabul hatte nichts von ihrem Schrecken verloren. Annie war auf dem Weg vom Hotel zur Ausgrabungsstätte gewesen, als eine Explosion das ganze Viertel erschüttert hatte. Die Menschen waren in Panik geraten. Erst später hatte Annie erfahren, dass ihr Verlobter Robert und alle aus seiner Gruppe, einschließlich seiner Eltern, getötet worden waren.
    Annie schloss kurz die Augen, um die schrecklichen Gedanken zu verdrängen.
    „Die Vertretung hat uns keine Hausaufgaben aufgegeben, Mom“, verkündete Roberta. „Mrs Darger ist morgen wieder da.“
    Da Roberta niemals schwindelte, nickte Annie nur. „Dann könnt ihr beide mir helfen, Tacos zu machen.“
    „Darf ich den Käse reiben?“, fragte Roberta begeistert.
    „Natürlich.“
    Wäre sie ein Junge gewesen, hätte Roberta genau so ausgesehen wie Robert als Kind. Sie hatte von ihm die gerade Nase, den vollen Mund und die dunkelbraunen Haare. Von Annie hatte sie nur das runde Kinn und die blauen Augen geerbt. Roberts Augen waren grau gewesen, und sie hatten auf eine ganz besondere Art aufgeleuchtet, wenn er Annie sah.
    „Wascht euch aber vorher die Hände“, mahnte Annie, als sie die Tür aufschloss.
    „Warum sagst du das immer, Mom? Wir sind doch keine Kleinkinder mehr.“
    Oha. „Stimmt. Tut mir leid, das muss ich mir abgewöhnen.“
    Für Annies Geschmack wurde Roberta viel zu schnell groß. Sie war schon immer reif für ihr Alter gewesen, was vielleicht auch an ihrer Schüchternheit lag – während andere Kinder sich ins Getümmel stürzten, blieb Roberta am Rand, beobachtete alles und machte sich ihre Gedanken. Vielleicht würde sie einem Umzug ja doch etwas abgewinnen können – schließlich würden sie an einem außergewöhnlichen Ort leben, wo man ganz sicher nicht wegen seines Pausenbrots aufgezogen wurde.
    Eine halbe Stunde später hatten sie sich gerade zum Essen hingesetzt, als es an der Tür klingelte.
    Es war Debbies Mutter. „Tut mir leid, ich habe mit Debbie heute einen Termin“, sagte sie. „Das hatte ich ganz vergessen. Wir müssen sofort los.“
    „Kein Problem.“ Annie packte ein paar der Tacos in Alufolie und reichte sie Julie. „Die kann man auch aufwärmen.“
    „Danke. Du bist ein Schatz. Bis morgen dann!“
    Annie setzte sich wieder zu Roberta an den Tisch, und sie aßen weiter.
    „Ich muss etwas mit dir besprechen“, begann Annie.
    „Was denn?“, fragte Roberta. „Hast du dich wieder mit Grandma gestritten?“
    „Gestritten? Empfindest du das so?“
    „Manchmal“, erwiderte Roberta leise.
    „Das tut mir leid. Es klingt vielleicht wie streiten, aber manchmal müssen wir einfach laut werden, um unsere Gefühle auszudrücken. Sie möchten eben so gern, dass wir bei ihnen in San Francisco wohnen.“ Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: „Wünschst du dir das manchmal?“
    „Ich weiß nicht. Vielleicht. Und du?“
    „Ja, manchmal schon, aber dort kann ich meine Arbeit nicht machen.“
    „Ich weiß. Wenn Daddy nicht gestorben wäre, würden wir bei ihm wohnen.“
    „Das stimmt, Liebes.“
    Annie hatte Roberta immer die Wahrheit gesagt: Sie und Robert hatten heiraten wollen, doch dann wurde er getötet.
    „Dann wären wir alle
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