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Küsse auf Eis - True Love and other Disasters

Titel: Küsse auf Eis - True Love and other Disasters
Autoren: Rachel Gibson
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während er seine Ray-Ban-Pilotenbrille aufsetzte. Die verspiegelten Gläser schützten seine Augen vor der grellen Nachmittagssonne, als er aus dem geschlossenen Anwesen und dann in Richtung Poulsbo fuhr. Er ließ die 500 Pferde unter der Motorhaube lospreschen und machte sich auf den langen Weg nach Hause.
     
    Faith Duffy klappte ihr Handy zu und blickte über die smaragdgrüne Rasenfläche, die mustergültig gepflegten Beete und spritzenden Springbrunnen. Das Allerletzte, was sie im Moment gebrauchen konnte, war ein Besuch ihrer Mutter. Ihr Leben war auch schon so unsicher und beängstigend genug, und Valerie Augustine war ein emotionales schwarzes Loch.
    Ihr Blick glitt über die unruhigen Gewässer der Elliott-Bucht, und sie verschränkte die Arme vor der Brust und zog fröstelnd die Schultern hoch, als der kalte Wind ihr die Haare ums Gesicht wehte. Letzte Nacht hatte sie geträumt, dass sie wieder im Aphrodite arbeitete. Dass ihr die langen, blonden Haare um den Kopf wehten, während »Slice of Your Pie« von Mötley Crüe aus den Lautsprechern über der Hauptbühne in dem Stripclub hämmerte. In dem Traum blitzten rosafarbene Laserstrahlen über ihre langen Beine und die fünfzehn Zentimeter hohen Acryl-Plateauschuhe, während sie aufreizend mit den Händen über ihren flachen Bauch fuhr. Sie strich mit den Handflächen über ihren Unterleib, der nur mit einem knappen
karierten Rock bedeckt war, und ihre Finger umklammerten den Stuhlsitz zwischen ihren nackten Oberschenkeln.
    Faith hasste diesen Traum. Sie hasste das panische Gefühl und das Zusammenkrampfen ihres Magens, das der Traum stets mit sich brachte. Sie hatte den Traum seit Jahren nicht mehr gehabt, aber er lief immer gleich ab. Sie drehte sich auf dem Stuhl zur Seite, wölbte den Rücken und senkte langsam den Kopf zur Bühne und knöpfte gleichzeitig mit den Händen ihre enge weiße Bluse auf. Unter dem pinken Blitzlicht balancierte sie auf dem Stuhlsitz und hob die Beine. Sie strich lasziv mit dem Fuß über ihre Wade, während ihre großen Brüste aus der Bluse quollen und aus dem roten, mit Pailletten besetzten Halbschalen-BH zu fallen drohten. Wie immer scharten sich Männer um die Bühne und glotzten sie mit lüsternen Blicken und offen stehenden Mündern an.
    »Layla.« Sie skandierten ihren Künstlernamen und hielten Geldscheine in den Fäusten.
    Im Traum umspielte ein »Ich weiß, dass ihr mich wollt«-Lächeln ihre Lippen, während Vince Neil und seine Jungs ein süßes Lächeln und ein zweites Stück Kuchen besangen. In dem Nachtclub, der drei Blocks vom Las Vegas Strip entfernt lag, stellte Faith die Hände neben dem Kopf auf den Boden und vollführte einen perfekten Walkover, bis ihre Füße schulterbreit auseinander standen. Nachdem sie die Bluse beiseitegeworfen hatte, bückte sie sich nach vorne und wiegte sich gleichzeitig in den Hüften. Sie schob das knappe karierte Röckchen über Schenkel und Beine und stieg nur mit einem zum BH passenden roten String bekleidet aus dem Rock. Der schwere Bass und der Beat ließen die Bühne und die Sohlen ihrer Acryl-Plateauschuhe erbeben, während sie zum Objekt männlicher Fantasien wurde und die Kerle so
manipulierte, dass sie tief in die Brieftaschen griffen und ihre Kohle herausrückten.
    Der Traum ging immer gleich aus. Das viele Geld löste sich in nichts auf wie eine Fata Morgana, und sie wachte um Atem ringend auf. Ihr Herz raste, und die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Und wie immer fühlte sie sich wieder wie ein hilfloses kleines Mädchen. Allein und verängstigt.
    Frauen, die behaupteten, lieber zu hungern, als sich auszuziehen, hatten diese Wahl wahrscheinlich niemals treffen müssen. Sie hatten niemals fünf Tage hintereinander Hot Dogs essen müssen, weil sie billig waren. Sie hatten nie von Mahlzeiten mit Big Macs und Pommes geträumt, und von Auflaufförmchen mit Crème brûlée.
    Faith hielt das Gesicht in den Wind und atmete tief durch. Sie sollte wieder hineingehen. Es war unhöflich, Virgils Freunde bei seinem Leichenschmaus zu vernachlässigen, doch die meisten von ihnen hatten sie sowieso nie richtig gemocht. Was seine Familie betraf - nun, die konnte zur Hölle fahren. Jeder Einzelne von ihnen. Nicht einmal heute hatten sie ihre Verbitterung zurückgestellt.
    Virgil war tot. Sie konnte es immer noch nicht fassen. Noch vor einer Woche hatte er ihr Geschichten über die vielen fantastischen Dinge erzählt, die er in seinem langen Leben getan hatte, und jetzt …
    Jetzt
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