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Küss mich, wenn Du kannst

Küss mich, wenn Du kannst

Titel: Küss mich, wenn Du kannst
Autoren: Susan Elizabeth Phillips
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Schmutz, ihr Top war zerknittert, und ein Fingernagel war abgebrochen, als sie die Bierdose geöffnet hatte. Inzwischen spielten die zusätzlichen fünf Pfund, die sich seit Nanas Tod auf ihrer zartknochigen Gestalt angesammelt hatten, keine allzu große Rolle mehr.
    Zehn Uhr neununddreißig.
    Dem Stau bei der Baustelle auf dem Kennedy Expressway durfte sie sich nicht ausliefern. Deshalb fuhr sie zur Division. Im Rückspiegel beobachtete sie, wie sich noch ein Löckchen aus der Umklammerung des Haarsprays löste. Auf ihrer Stirn glänzten Schweißtropfen. Um weiteren Straßenbauarbeiten auszuweichen, riskierte sie einen Umweg die Halsted hinab. Während sie Shermans Panzerwagenkarosserie durch den Verkehr bugsierte, rieb sie ihre verschmutzten Beine mit dem feuchten Papiertuch ab, das sie aus ihrer Küche mitgenommen hatte. Warum hatte Nana keinen hübschen kleinen Honda Civic gefahren statt dieses widerlichen grünen Monsters, das Benzin in rauen Mengen verschlang? Mit ihren eins sechzig musste Annabelle auf einem Kissen sitzen, um über das Lenkrad hinwegzuschauen. Um ein Kissen hatte sich Nana nie gekümmert. Aber sie war ja auch kaum gefahren. Nach einem Dutzend Jahren Lebenszeit zeigte Shermans Tacho knapp 63 000 Kilometer an.
    Als sie von einem Taxi geschnitten wurde, stützte sie sich auf die Hupe. Zwischen ihren Brüsten rann Schweiß hinab. Unbehaglich spähte sie auf ihre Uhr. Zehn vor elf. Sie versuchte sich zu erinnern, ob sie nach der Dusche ein Deo benutzt hatte. Ja, natürlich. Das tat sie immer. Um sicherzugehen, hob sie einen Arm und schnüffelte. Im selben Moment polterte Sherman über ein Schlagloch. Ihr Mund stieß gegen ihren dotterblumengelben Kragen und hinterließ einen rostbraunen Lippenstiftfleck.
    Frustriert schrie sie auf und griff über den breiten Beifahrersitz nach ihrer Einkaufstasche, mit dem Erfolg, dass dieses verflixte Ding von der Kante rutschte und in den Grand Canyon hinabstürzte. An der Halsted-Chicago-Kreuzung sprang die Ampel auf Rot um. Annabelles Haare klebten am Nacken, weitere Löckchen machten sich selbstständig, und sie versuchte ihr Glück mit ein bisschen Yoga-Atmung. Da sie erst ein einziges Mal am Kurs teilgenommen hatte, war das nicht sonderlich wirkungsvoll. Wieso, um alles in der Welt, hatte sich Mouse gerade diesen Tag, der über Annabelles berufliche Zukunft entscheiden würde, aussuchen müssen, um unter ihrem Auto im Delirium zu versinken?
    Im Schneckentempo kroch Sherman zum Loop. Noch eine der für Chicago typischen Dauerbaustellen. Dann kam sie am Daley Center vorbei. Für die übliche Tour durch die umliegenden Straßen auf der Suche nach einer Parklücke, in die ihr voluminöser Schlitten passen würde, fehlte ihr die Zeit. Und so fuhr sie in die nächstbeste sündteure Tiefgarage, warf dem Parkwächter den Autoschlüssel zu und stürmte davon.
    Fünf nach elf. Kein Grund zur Panik. Sie würde einfach von Mouse erzählen. Das würde der Python sicher verstehen.
    Oder auch nicht.
    Als sie die Eingangshalle des Bürohochhauses betrat, wehte ihr ein kalter Luftzug von der Klimaanlage entgegen. Acht nach elf. Glücklicherweise war die Liftkabine leer, und Annabelle drückte auf den Knopf für den dreizehnten Stock.
    »Lass dich bloß nicht von ihm einschüchtern«, hatte Molly sie am Telefon ermahnt. »Der Python lebt von der Angst seiner Mitmenschen.«
    Klar, Molly hatte leicht reden - die saß mit einem traumhaften Ehemann, einem fantastischen Footballspieler, einer grandiosen eigenen Karriere und zwei süßen Kindern daheim.
    Langsam schlossen sich die Lifttüren. Annabelle sah sich in der Spiegelwand und stöhnte. Mittlerweile hatte sich ihr rohseidenes Kostüm in eine schlappe Masse aus dotterblumengelben Knitterfalten verwandelt, der Rock strotzte an der Seite vor Schmutz. Der Lippenstiftfleck am Revers stach wie ein leuchtender Weihnachtsaufkleber hervor. Am allerschlimmsten war, dass sich ihr Haar Löckchen für Löckchen aus dem Haarspraynetz befreite, das alles belasten und nach unten drücken sollte. Schlaff hingen die Löckchen um ihr Gesicht herum, wie Bettfedern, die man aus dem Fenster geworfen hatte und in einer Seitengasse verrosten ließ.
    Immer wenn sie sich über ihr Aussehen ärgerte, das sogar ihre Mutter nur als »nett« bezeichnete, tröstete sie sich normalerweise mit ihren Vorzügen. Mit den schönen honigbraunen Augen, den langen Wimpern und dem hellen, trotz mehrerer Sommersprossen makellosen Teint. Aber diesmal konnte ihr
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